Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Vogel saß auf der Ledermanschette an seinem Handgelenk, als sie auf den Hofplatz einritten, was nur schwer anders zu deuten war als Hochmut oder als unmäßige kindliche Freude über die Neuerwerbung.
Zuerst mochte Mechthild weder sein Auftreten noch die Art, auf die er Clementia studierte. Äffisch hatte er ihr zwei erlegte Kaninchen heruntergereicht, als sei sie ein einfaches Küchenmädchen, obwohl ihre Kleidung einen Irrtum unmöglich machte. Aber Clementia hatte die Situation mit Würde gerettet, hatte gesagt, es sei eine Schande, dass die Tiere nicht in einer Falle gefangen worden waren. Wäre das Fell am Rücken nicht zerrissen und blutig, hätte es in diesem Fall durchaus ein hübsches Handschuhfutter abgegeben. Daraufhin hatte siedie Kaninchen selbst den ganzen Weg bis zum Küchenhaus getragen.
Als Graf Gerberts Weg zur Erntezeit wieder an Bermersheim vorbeiführte, hatte er Hildebert und Mechthild sein Eheangebot unterbreitet. Hildebert hatte verlangt, dass die Hochzeit noch einige Jahre warten müsse, bis das Mädchen für einen so großen Haushalt bereit sei, wie sie ihn in ihrem neuen Zuhause führen soll. Gerbert hatte ohne weiteres akzeptiert. Auch Clementias Proteste erstarben bald. Mit ihrem ruhigen Gemüt hatte sie sich mit der Situation abgefunden, wie es ihre Pflicht war, um der Familie Ehre zu machen.
Es beruhigt Mechthild, an Clementias bevorstehende Hochzeit zu denken, an Vorbereitungen und Verbindungen, an Aussteuer und Festessen. Das hält die Gedanken vom Rücken und von Hildegard fern.
Als Mechthild später aufwacht, kann sie sich kaum bewegen, so groß sind die Schmerzen im Rücken. Sie ruft nach dem Mädchen, das jedoch erst nach einer Ewigkeit erscheint. Clementia ist mit Estrid und Otto im Dorf, als die Botschaft den Hof erreicht, ein Handelsreisender mit Kräutern aus dem Osten sei nach Bermersheim gekommen. Benedikta eilt herbei, als sie ihre Mutter jammern hört. Ein warmer Stein aus der Feuerstelle wird in ein weiches Fell gewickelt, und Benedikta legt ihre Hand an Mechthilds Wange.
Den ganzen Tag liegt sie, stöhnt und kann nicht nach Hildegard sehen. Agnes wird herbeigerufen. Nachdem sie gründlich verhört worden ist, schickt Mechthild sie mit der Anweisung zurück, dem Kind abgekochten Kerbel und Petersilie zu geben und dafür zu sorgen, dass sie im Bett bleibt. Benedikta wechselt den Lendenwickel, aber die Wärme macht es nur schlimmer. Mechthild wird zänkisch wie ein altes Weib.
Clementia kommt ohne den Safran für die Torten zurück, von dem sie geträumt hatte. Beim Anblick ihrer ältesten Tochter beruhigt sich Mechthild und schickt Benedikta zurück an ihre Arbeit.
Benediktas Stickereien sind schöner als die irgendeiner anderen im Haus. Sogar Tante Ursula und ihre törichte Kristin haben sie so sehr gelobt, dass sie fast hochmütig geworden ist. Aber als sie die Aufgabe bekam, eine neue Borte für das Brautlaken zu sticken, hörte sie bald auf, sich lustig zu machen. Zwar kann Mechthild selbst nicht so schön nähen, aber die Handarbeit inspizieren und jeden einzelnen schiefen Stich aufziehen und noch einmal machen lassen, das kann sie.
Es schmerzt im Nacken und in den Fingern, und trotz des Fingerhuts schafft es Benedikta, sich mit der Nadel unter den Nagel zu stechen. Das Brautlaken wurde von Sponheim geschickt, wo Tante Ursula und Cousine Kristin den Mittelteil des kreideweißen Leinens schon mit Blumenranken im Plattstich bestickt haben. Der Kantenborte mit Hohlstich soll sich Benedikta annehmen. Die Hochzeitsnacht werden Clementia und Graf Gerbert auf dem Geburtshof der Braut verbringen, weil die Reise nach Aachen lang ist, aber auch weil Mechthild sicher sein will, dass die erste Nacht als Ehepaar so vonstattengeht, wie es die Tradition verlangt. Benedikta schaudert es beim Gedanken an den ekligen, alten Mann, mit dem ihre Schwester verheiratet wird. Sie preist sich glücklich, dass nicht sie es war, die er gewählt hatte. Seitdem ist er viele Male in Bermersheim gewesen, und jedes Mal hat er sich auf Bettelgang zu Clementia begeben. Bei einer Gelegenheit vergaß er all seine Manieren und drängte sie in einen Winkel hinter dem Küchenhaus, wo er versuchte, die Hand unter ihr Kleid zu schieben. Zu ihrem großen Glück wurde sie von Hugo gerettet, der auf der Flucht vor Irmengard und Odilia war. Beim Anblick seiner an die Mauer gedrückten Schwester im Nahkampf mit ihrem Zukünftigen blieb er wie vom Donner gerührt stehen und glotzte. Clementia hatte
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