Tod am Laacher See
Regenschirmhalter
neben ihrer Bürotür gefischt hatte. Nachdem er auf den Boden gestürzt war,
hatte sie den Kerl mit einer äußerst effektiven Haltetechnik kurzerhand auch
noch fixiert, bis herbeieilende Kollegen den Rowdy übernommen hatten.
Als Melchior ihr Gespräch mit Schumacher beendet hatte, kam sie zu
Wärmland und verabschiedete sich. Schumacher tat es ihr gleich, worauf beide
Frauen den Raum verließen. Wärmland und Trobisch begannen damit, ihre Teams
zusammenzustellen und die Aufgaben zu verteilen. Eineinhalb Stunden lang
sprachen sie über ihr weiteres Vorgehen. Wärmland brachte dabei zum Ausdruck,
was auch den anderen als auffälligstes Merkmal des Falles ins Auge stach: dass
alle Opfer nahe am oder im Wasser getötet worden waren.
»Es ist sicher kein Zufall, dass der Täter Wasser als Ausgangspunkt
für sein Handeln gewählt hat. Und wir sind uns wohl auch einig, dass wir von
einem männlichen Täter ausgehen können angesichts der Dimension von physischer
Gewalt, mit der wir es zu tun haben.«
»Bleibt also nur noch die kleine Hausarbeit, herauszufinden, warum
das so ist«, meinte Trobisch mit einem Gesicht, als habe er in einem
Rosinenkuchen auf ein Pfefferkorn gebissen.
»Vielleicht ist es ein Bademeister, der sich nach der vergangenen
Sommersaison unausgelastet fühlt und jetzt seine Gewaltphantasien rauslässt«,
scherzte ein Oberkommissar aus Trobischs Team.
»Ich fürchte, der Fall wird etwas komplizierter sein«, erwiderte
Trobisch.
»Es ist aber sicher jemand, der mit Wasser vertraut ist«, griff
Wärmland den Faden auf. »Einer der Kollegen von der Tauchstaffel sagte, dass
unser Mann jedes seiner Opfer im Laacher See mit einem Palstek am Seil fixiert
hat. Das ist zwar kein komplizierter Knoten, aber dennoch haben die meisten
Menschen ihn nicht in ihrem Repertoire.«
»Segler kennen sich mit Knoten ganz gut aus«, warf Wiesmann ein.
»Ich habe voriges Jahr den Segelschein gemacht. Da hatten wir unter anderem
Knotenkunde, und der Palstek war auch dabei.«
Wärmland nickte zustimmend. »Das ist schon mal ein erster Hinweis.
Aber wer kann außerdem so verdammt gut schwimmen und tauchen? Segler verbringen
ihre Zeit auf dem Wasser, nicht darin. Um die Nummer im Laacher See abzuziehen,
braucht es meiner Meinung nach aber Schwimm- und Tauchfähigkeiten, die über das
normale Maß weit hinausgehen.«
»Also stellt sich uns im Augenblick neben der Frage nach einem Motiv
vor allem auch die Frage, welcher Personenkreis über derartige Fähigkeiten
verfügt.« Trobisch schaute nachdenklich in die Runde, bevor er fortfuhr. »Was
das Motiv angeht, wirkt das ganze Szenario auf mich nicht wie ein spontaner Akt
eines Mannes, der wahllos fremde Urlauber tötet. Wir haben schon darüber
gesprochen: Bis auf den alten Mann kamen alle Opfer aus Schleswig-Holstein.
Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich das Motiv für die Morde aus einem
Konflikt in der Heimat der Opfer entwickelt hat. Aber welcher Täter aus dem
Umfeld der Opfer würde ihnen in den Urlaub nachreisen und sich auf unbekanntes
Terrain begeben, um sie fern der Heimat zu töten? Zumal die Vorgehensweise doch
eher auf die Tat eines mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauten Menschen
hinweist. Es müsste demnach jemand von hier sein. Wer also verfügt in unserer
Region über derartige Schwimm- und Tauchfähigkeiten, und warum hatte er es auf
diese eben erst angereisten Gäste aus dem Norden abgesehen?«
»Vielleicht ist er Fußballfan und wurde von den Männern bei einem
Auswärtsspiel im Norden mal heftig verprügelt«, warf einer der Koblenzer
Kollegen ein.
»Eine recht heftige Art, so etwas zu vergelten«, meinte Trobisch.
»Aber im Moment können wir auch das nicht grundsätzlich ausschließen.«
Wärmland kam noch mal auf das Thema Schwimmen zurück. »Wir sollten
bei den Schwimm- und Tauchvereinen in der Region nachhaken. Aber es gibt doch
auch berufliche Verwendungen fürs Schwimmen und Tauchen. Das dürfen wir nicht
außer Acht lassen. Suchen wir also Schwimmspezialisten, die auch gern tauchen,
und andersrum. Wenn wir unter denen einen finden, der weiße Haie mit der Hand
fängt, sind wir möglicherweise schon nah dran.«
Wärmlands Bild löste Regine Naus Gesichtsausdruck zufolge bei ihr
einen leichten Grusel aus. Die meisten Kollegen allerdings schmunzelten bei
dieser Vorstellung.
»Womit wir beim Thema Gefährlichkeit angekommen sind«, ergänzte
Trobisch. »Und ich meine nicht den Hai. Wir müssen uns darüber im Klaren
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