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Tod am Laacher See

Tod am Laacher See

Titel: Tod am Laacher See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Juergen Sittig
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eines Umzugswagens geraten war. Der scheußlichste
und schmerzvollste Anblick seiner frühen Ermittlerzeit. Wie eine kleine tote
Katze hatte der zermalmte Rest ihres zarten menschlichen Leibes auf der Straße
gelegen. Der Vater des sechsjährigen Kindes, der seine Tochter von der Hand
gelassen hatte, war ein halbes Jahr später erhängt auf dem Dachboden seines
Hauses gefunden worden. Da war er von der Mutter des Mädchens schon längst
verlassen worden.
    Er warf einen Seitenblick auf Regine Nau, konnte aber ihrem starren
Gesichtsausdruck nicht entnehmen, ob sie der vor ihr liegenden Situation gewachsen
sein würde.
    Der junge Mann führte sie durch einen langen Korridor, von dem viele
Türen abgingen. Erst im letzten Drittel des Flurs öffnete er auf der linken
Seite die Hälfte einer zweiflügeligen Tür. Der markante Geruch von Formaldehyd
und anderen Chemikalien schlug ihnen entgegen.
    Regine Nau verharrte einen Moment und hielt sich die Hand vor den
Mund, sodass Wärmland fürchtete, sie würde sich jetzt schon übergeben. Aber sie
gab ihm ein Zeichen, dass sie okay sei, und ging weiter.
    Dr. Leyendecker war an einem der Obduktionstische über eine
Leiche gebeugt, wandte sich aber um, als er ihr Eintreten wahrnahm.
    »Guten Tag, Doktor. Meine Kollegin Kommissarin Nau kennen Sie ja
schon vom Laacher See.«
    Der Gerichtsmediziner erwiderte den Gruß mit einem Lächeln und
nickte Regine Nau zu, ohne seine Sprache zu bemühen.
    »Wie weit sind Sie mit Ihren Untersuchungen?«, fragte Wärmland.
    »Sechs Mordopfer auf einen Schlag haben wir hier nicht jeden Tag auf
dem Tisch«, antwortete Leyendecker trocken. Er wirkte auf Wärmland etwas
übermüdet. »Wie Sie sich denken können, Herr Wärmland, liegen noch nicht alle
chemischen Ergebnisse vor. Aber ich weiß, dass Sie unter Zeitdruck stehen und
die Öffentlichkeit auf Erfolge wartet. Also haben ein Kollege und ich eine
Nacht mit den Opfern verbracht.«
    Klingt irgendwie eigenartig, dachte Wärmland. »Eine Nacht mit den
Opfern verbracht.« Wie eine Party von Nekrophilen.
    »Können Sie uns schon etwas zu den Toten vom Laacher See sagen?«,
fragte er mit Rücksicht auf Regine Nau, die die Leichen aus dem Wasser sicher
besser verkraften konnte als die verbrannten.
    »Zwei von ihnen sind ertrunken. Das Wasser in der Lunge war
eindeutig, wobei auch diesen beiden Männern Gewalt angetan wurde. Dieser hier,
das Opfer Wassmuth«, Leyendecker schlug ein Laken von einem der auf den
Metalltischen liegenden Körper zurück, »wurde wahrscheinlich unter Wasser
gezogen und dort festgehalten. Wir haben entsprechende Spuren an den Unter- und
Oberarmen. Die an den Unterarmen erwecken den Anschein, als seien die Arme heftig
über einen harten Gegenstand gezogen worden. Möglicherweise wurde der Mann also
über die Bootskante ins Wasser gezerrt. Und wenn Sie auf die leichten
Verfärbungen hier an den Oberarmen achten wollen. Es sieht aus, als habe ihn
jemand mit großer Kraft von hinten umfasst und unter Wasser gehalten. Der Mann
muss sich gewehrt haben, aber der Angreifer konnte ihn fixieren, bis das Opfer
schließlich Wasser eingeatmet hat, als es keine andere Wahl mehr hatte. Bei
jedem Menschen setzt irgendwann der Atemreflex ein. Dann macht er den Mund auf
und atmet, auch wenn er unter Wasser ist. Das Atmen können nur
Apnoe-Tieftaucher und Langstreckentaucher eine Zeit lang bewusst unterdrücken.
Wir Ungeübten reißen gleich beim ersten starken Atemreflex den Schnabel auf.«
    Wärmland schielte zu Regine Nau, die aber noch recht gefasst wirkte.
    Dr. Leyendecker wandte sich um und zog am Nachbartisch das
Laken von der nächsten Leiche. »Dieser Mann, das Opfer Jensen, wurde schon vor
dem Ertrinken schwer verletzt. Der Täter muss ihm mit einem Pfeil, ich vermute,
von einer Harpune, von hinten in den unteren Rücken geschossen haben. Das hat
eine Niere und die Milz verletzt und war zunächst nicht tödlich. Ohne
medizinische Hilfe wäre er jedoch irgendwann innerlich verblutet. Aber so weit konnte
es nicht kommen. Denn wie es aussieht, hat ihn der Täter noch lebend unter
Wasser fixiert, bis er ertrunken ist. Das zeigen die leichten Druckmale am
Hals. Nicht so intensiv ausgeprägt wie bei einer Erdrosselung, wenn sich das
Opfer auch noch mit vollen Kräften wehrt, aber doch deutlich sichtbar. Dieser
Mann war ja schon schwer verletzt und konnte sich sicher kaum mehr zur Wehr
setzen. Also musste der Täter keine übermäßige Kraft aufwenden. So sehe ich das
jedenfalls.«
    Wie

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