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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Stiefvaters«, sagte er. »Euer Geheimnis ist bei mir
     sicher, und ich werde mir überlegen, was ich tun kann. Einstweilen
     allerdings solltet Ihr in die Herberge zurückkehren. Seht die Papiere
     Eures Stiefvaters durch, und zwar alle. Sucht nach einem Hinweis auf die
     Geheimnisse, die er mit Roffel teilte - und sei er noch so klein.«
    »Wie soll uns das
     helfen?«
    »Das weiß Gott«,
     antwortete Athelstan. »Das weiß Gott allein.« Er beugte
     das Knie vor dem Altar. »Ihr könnt noch eine Weile hierbleiben
     - aber, Master Ashby, Ihr dürft unter keinen Umständen den
     Altarraum verlassen. Gebt Ihr mir Euer Wort?«
    Ashby nickte. In diesem
     Moment wurde die Kirchentür aufgestoßen und Watkin, der
     Mistsammler, stürmte herein.
    »Pater! Pater! Der
     Wagen ist gekommen!«
    Athelstan atmete tief und
     langsam durch und betete um Geduld.
    »Brav, Watkin. Laß
     die Flügeltür aufmachen und den Wagen hereinbringen.«   
    Der Mistsammler trabte davon.
     Das Portal öffnete sich, und mit viel Lärm und Gepolter rollte
     ein großer,   
    vierrädriger Karren,
     gezogen von Watkin und anderen Gemeindemitgliedern, auf einer behelfsmäßigen
     Rampe die Stufen herauf und ins Kirchenschiff. Athelstan ging hinunter, um
     den Leuten zu helfen. Sein Ärger über die Störung legte
     sich angesichts der guten Laune und des selbstlosen Einsatzes seiner
     Pfarrkinder rasch; alle hatten ihre Arbeit liegengelassen, um dafür
     zu sorgen, daß der Karren rechtzeitig zum Mysterienspiel hier war.
     Ächzend und schwitzend riefen sie einander Anweisungen zu und
     wuchteten den Wagen hin und her, bis er mitten im Kirchenschiff stand.
    »So.« Watkin
     wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Bitte sehr, Pater.«
     Seine haarigen Nüstern bebten ob seiner inbrünstigen
     Selbstgerechtigkeit. »Und in dem Spiel, da werde ich Gott sein,
     nicht wahr?« Er senkte die Stimme. »Pike kann nicht Gott
     spielen. Ich bin der Vorsitzende des Gemeinderates.«
    Pike, der Grabenbauer, kam um
     den Karren herum. Athelstan spürte, daß trotz der
     bevorstehenden Heirat zwischen Pikes Sohn und Watkins Tochter die alte
     Feindschaft zwischen den beiden wieder aufgebrochen war.
    »Das habe ich genau gehört,
     Watkin!« bellte Pike. »Aber ich werde Gott spielen!«
    »Nein, wirst du nicht!«
     krähte Watkin wie ein trotziges Kind.
    Beide Männer schauten
     Athelstan an und warteten auf seinen Schiedsspruch. Der Priester stöhnte
     leise.
    »Nun, Pater?«
     fragte Pike herausfordernd. »Wer ist Gott?«
    Athelstan lächelte.
     »Wir alle. Wir sind alle nach Gottes Ebenbild geschaffen. Wenn wir
     also sind wie Gott, dann muß Gott ein bißchen so sein wie wir.«
    »Aber was ist mit dem
     Stück?« fragte Watkin beharrlich.
    »Ja, was ist damit?«
     Hig, der Schweinemetzger mit dem breiten Kinn und den schmalen Augen, kam
     hinter dem Wagen hervor und stellte sich neben Watkin. Hig arbeitete im
     Schlachthof, und sein brauner Kittel war voller Flecken vom Kot und Blut
     der Kadaver, und sein dichtes Haar war gestutzt, als habe der Barbier ihm
     einen Topf aufgesetzt und ringsherum alles abgeschnitten. Athelstan mochte
     den Mann nicht. Hig war ein geborener Unruhestifter, sich seiner Rechte
     voll bewußt und stets bereit, den Frieden der Gemeinderatssitzungen
     zu stören, indem er im trüben fischte.
    »Hig, du hältst
     dich da heraus«, sagte Athelstan warnend.
    »Ich weiß, was
     wir tun können.« Athelstan sah Watkin und Pike an. »Ich
     sagte ja, wir alle sind wie Gott. Also kann Watkin Gott Vater spielen, ich
     spiele Gott Sohn, und du, Pike, bekommst ein weißes Gewand mit den
     Flügeln einer Taube auf dem Rücken und spielst Gott, den
     Heiligen Geist. Und erinnert euch daran, was die Heilige Mutter Kirche
     lehrt: Es sind drei Personen in Gott, und alle drei sind gleich.« Er
     senkte die Stimme und schaute sie düster an. »Es sei denn, ihr
     wolltet den Lehren der Heiligen Mutter Kirche widersprechen.«
    Watkin und Pike starrten ihn
     mit offenen Mäulern an. Dann warfen sie einander einen kurzen Blick
     zu.
    »Einverstanden«,
     sagte Watkin. »Aber Gott, der Vater, macht immer mehr als der
     Heilige Geist.«
    »Nein, macht er nicht.«
    Die beiden stapften davon,
     äußerst befriedigt, sich nun über die Feinheiten des
     theologischen Dogmas streiten zu können. Athelstan seufzte
     erleichtert.
    Die übrigen
     Gemeindemitglieder wimmelten um den Wagen herum und unterhielten sich
     lautstark, ohne sich jedoch die Mühe

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