Tod auf der Themse
noch
heftig über die Frage, ob Gott Vater dem Heiligen Geist nicht
vielleicht doch überlegen sei.
Herr, hilf', dachte
Athelstan. Vielleicht sollte ich die Dreieinigkeit spielen, und Watkin und
Pike können zwei Erzengel sein. Er lenkte Philomel vom Kirchplatz weg
in die Gasse und machte lächelnd eine segnende Gebärde zu
Marston und seinen Kumpanen hinüber. Dann bahnte er sich seinen Weg
durch das stinkende, lärmende Gedränge der engen Gassen von
Southwark. Vor der Taverne »Zum Gescheckten« waren zwei seiner
Pfarrkinder, Tab, der Kesselflicker, und seine Frau Roisia, zum Entzücken
einer wachsenden Menge von Zuschauern in ein erbittertes Wortgefecht
verwickelt. Athelstan machte halt, um zuzuhören.
»Zwanzig Jahre waren
wir glücklich verheiratet -bis jetzt!« schrie Roisia mit
puterrotem Gesicht.
»Ja«, gab Tab zurück.
»Du warst glücklich, und ich war verheiratet.«
Das war zuviel für
Roisia. Sie holte aus und schlug mit ihrem Humpen nach Tabs Kopf. Dieser
duckte sich, und Roisia landete der Länge nach im Schlamm.
»Tab!« rief
Athelstan. »Hört auf mit dem Unfug! Hilf Roisia auf, und geht
zur Kirche. Der Wagen für unser Festspiel ist gekommen.«
Roisia kniete im Schlamm und
packte ihren Mann beim Arm. »Du sollst den Hl. Petrus spielen«,
schrie sie. »Aber Watkin wird die Rollen verteilen, wie es ihm paßt.«
Mann und Frau, auf einmal
entschlossene Verbündete, machten sich auf den Weg nach St.
Erconwald. Athelstan ritt weiter, vorbei an der Priorei von St. Mary Overy
und zur Auffahrt der London Bridge. Am Straßenrand waren die Büttel
damit beschäftigt, Strafen zu verhängen. Zwei Färber, die
aus Hundekot eine braune Farbe gemacht hatten, die schon vom ersten
Regenschauer ausgewaschen wurde, standen mit blankem Hintern, die
Schamteile nur mit einem Tuchfetzen bedeckt, nebeneinander; sie waren an
Hand und Fuß aneinandergefesselt und würden so stehenbleiben,
bis die Sonne unterging. Stock und Pranger waren ebenfalls mit den üblichen
Spitzbuben besetzt - Taschendieben und anderen kleinen Gaunern, die
Festnahme und einen Tag Haft als Berufsrisiko betrachteten. Aber auch der
Todeskarren war gekommen und stand jetzt unter dem hohen Balkengerüst
des Schafotts. Ein Verbrecher, der die Schlinge bereits um den Hals trug,
erklärte der völlig gleichgültigen Menge, er sei
unschuldig. Das unter zottigem Haar und Bart fast verborgene Gesicht des
Verurteilten war sonnenverbrannt. Als er Athelstan erblickte, sprang er
auf dem Karren auf und ab.
»Da ist ein Priester!«
schrie er. »Da ist ein Priester! Ich will beichten! Ich will nicht
zur Hölle fahren!«
Athelstan stöhnte, als
Amtsdiener Bladdersniff auf ihn zukam. Seine Essigmiene sah noch saurer
aus als sonst.
»Wir konnten keinen
Priester finden, der ihm die Beichte abnehmen könnte«, sagte
Bladdersniff. »Er hat bei einer Schenkenprügelei eine Hure
umgebracht, aber er wurde gleich gefaßt und hat die Nacht im Kerker
verbracht, betrunken wie ein Schwein.« Bladdersniff hielt sich an
Philomels Zügel fest und schwankte bedrohlich.
Du bist selbst auch nicht
allzu nüchtern, dachte Athelstan. Er stieg ab, warf Bladdersniff den
Zügel zu und kletterte auf den Henkerskarren. Der verurteilte
Verbrecher war entzückt - ob über die verschobene Hinrichtung
oder den erwarteten geistlichen Trost, konnte Athelstan nicht entscheiden.
Simon, der schwarz maskierte Henker, der auch als Küchenknecht in
Merrylegs Pastetenladen arbeitete, grinste Athelstan unter der Maske
hervor zu, sprang vom Wagen und begab sich außer Hörweite.
»Setz dich«,
sagte Athelstan. »Wie heißt du?«
»Robard.«
»Und woher kommst du?«
»Ich bin in Norwich
geboren.«
»Wie hast du gelebt?
Was war dein Beruf?«
»Oh, ich war Seemann,
Pater.« Er zog sein zerlumptes Wams zurück und entblößte
einen zernarbten Arm. »Das heißt, bis jemand kochendes Ol
über mich gekippt hat.«
»Kanntest du Kapitän
Roffel?« fragte Athelstan.
»Kapitän Roffel?«
wiederholte Robard, und sein bärtiges Gesicht erstrahlte in einem
zahnlosen Grinsen. »Ja, den kannte ich, Pater. Der größte
Pirat diesseits von Dover. Ein Mörder, Pater.« Robard rülpste,
und schaler Bierdunst wehte Athelstan ins Gesicht. »Ein Sodomit war
er außerdem.« Robard sah ihn entschuldigend an. »Ich
meine es im ursprünglichen Sinne, Pater. Er liebte
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