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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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noch
     heftig über die Frage, ob Gott Vater dem Heiligen Geist nicht
     vielleicht doch überlegen sei.
    Herr, hilf', dachte
     Athelstan. Vielleicht sollte ich die Dreieinigkeit spielen, und Watkin und
     Pike können zwei Erzengel sein. Er lenkte Philomel vom Kirchplatz weg
     in die Gasse und machte lächelnd eine segnende Gebärde zu
     Marston und seinen Kumpanen hinüber. Dann bahnte er sich seinen Weg
     durch das stinkende, lärmende Gedränge der engen Gassen von
     Southwark. Vor der Taverne »Zum Gescheckten« waren zwei seiner
     Pfarrkinder, Tab, der Kesselflicker, und seine Frau Roisia, zum Entzücken
     einer wachsenden Menge von Zuschauern in ein erbittertes Wortgefecht
     verwickelt. Athelstan machte halt, um zuzuhören.   
    »Zwanzig Jahre waren
     wir glücklich verheiratet -bis jetzt!« schrie Roisia mit
     puterrotem Gesicht.
    »Ja«, gab Tab zurück.
     »Du warst glücklich, und ich war verheiratet.«
    Das war zuviel für
     Roisia. Sie holte aus und schlug mit ihrem Humpen nach Tabs Kopf. Dieser
     duckte sich, und Roisia landete der Länge nach im Schlamm.
    »Tab!« rief
     Athelstan. »Hört auf mit dem Unfug! Hilf Roisia auf, und geht
     zur Kirche. Der Wagen für unser Festspiel ist gekommen.«
    Roisia kniete im Schlamm und
     packte ihren Mann beim Arm. »Du sollst den Hl. Petrus spielen«,
     schrie sie. »Aber Watkin wird die Rollen verteilen, wie es ihm paßt.«
    Mann und Frau, auf einmal
     entschlossene Verbündete, machten sich auf den Weg nach St.
     Erconwald. Athelstan ritt weiter, vorbei an der Priorei von St. Mary Overy
     und zur Auffahrt der London Bridge. Am Straßenrand waren die Büttel
     damit beschäftigt, Strafen zu verhängen. Zwei Färber, die
     aus Hundekot eine braune Farbe gemacht hatten, die schon vom ersten
     Regenschauer ausgewaschen wurde, standen mit blankem Hintern, die
     Schamteile nur mit einem Tuchfetzen bedeckt, nebeneinander; sie waren an
     Hand und Fuß aneinandergefesselt und würden so stehenbleiben,
     bis die Sonne unterging. Stock und Pranger waren ebenfalls mit den üblichen
     Spitzbuben besetzt - Taschendieben und anderen kleinen Gaunern, die
     Festnahme und einen Tag Haft als Berufsrisiko betrachteten. Aber auch der
     Todeskarren war gekommen und stand jetzt unter dem hohen Balkengerüst
     des Schafotts. Ein Verbrecher, der die Schlinge bereits um den Hals trug,
     erklärte der völlig gleichgültigen Menge, er sei
     unschuldig. Das unter zottigem Haar und Bart fast verborgene Gesicht des
     Verurteilten war sonnenverbrannt. Als er Athelstan erblickte, sprang er
     auf dem Karren auf und ab.   
    »Da ist ein Priester!«
     schrie er. »Da ist ein Priester! Ich will beichten! Ich will nicht
     zur Hölle fahren!«   
    Athelstan stöhnte, als
     Amtsdiener Bladdersniff auf ihn zukam. Seine Essigmiene sah noch saurer
     aus als sonst.
    »Wir konnten keinen
     Priester finden, der ihm die Beichte abnehmen könnte«, sagte
     Bladdersniff. »Er hat bei einer Schenkenprügelei eine Hure
     umgebracht, aber er wurde gleich gefaßt und hat die Nacht im Kerker
     verbracht, betrunken wie ein Schwein.« Bladdersniff hielt sich an
     Philomels Zügel fest und schwankte bedrohlich.
    Du bist selbst auch nicht
     allzu nüchtern, dachte Athelstan. Er stieg ab, warf Bladdersniff den
     Zügel zu und kletterte auf den Henkerskarren. Der verurteilte
     Verbrecher war entzückt - ob über die verschobene Hinrichtung
     oder den erwarteten geistlichen Trost, konnte Athelstan nicht entscheiden.
     Simon, der schwarz maskierte Henker, der auch als Küchenknecht in
     Merrylegs Pastetenladen arbeitete, grinste Athelstan unter der Maske
     hervor zu, sprang vom Wagen und begab sich außer Hörweite.
    »Setz dich«,
     sagte Athelstan. »Wie heißt du?«
    »Robard.«
    »Und woher kommst du?«
    »Ich bin in Norwich
     geboren.«
    »Wie hast du gelebt?
     Was war dein Beruf?«
    »Oh, ich war Seemann,
     Pater.« Er zog sein zerlumptes Wams zurück und entblößte
     einen zernarbten Arm. »Das heißt, bis jemand kochendes Ol
     über mich gekippt hat.«
    »Kanntest du Kapitän
     Roffel?« fragte Athelstan.
    »Kapitän Roffel?«
     wiederholte Robard, und sein bärtiges Gesicht erstrahlte in einem
     zahnlosen Grinsen. »Ja, den kannte ich, Pater. Der größte
     Pirat diesseits von Dover. Ein Mörder, Pater.« Robard rülpste,
     und schaler Bierdunst wehte Athelstan ins Gesicht. »Ein Sodomit war
     er außerdem.« Robard sah ihn entschuldigend an. »Ich
     meine es im ursprünglichen Sinne, Pater. Er liebte

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