Tod auf der Themse
Gesicht glühte jetzt, und sein Schnurrbart sträubte
sich.
»Sir Jacob«, dröhnte
Cranston, »es gibt zwei Dinge, über die Ihr uns belogen habt.«
Er hob die Hand, als Crawley ob der Beleidigung zusammenzuckte. »Jawohl,
Sir, belogen, und ich sage Euch das als Euer Freund, nicht als Coroner.
Ihr habt uns gesagt, Ihr wärt in dieser Nacht nicht auf der God’s
Bright Light gewesen. Wir wissen aber, daß Ihr irgendwann nach
Mitternacht zu dem Schiff hinübergefahren und einige Zeit dort
geblieben seid.«
Crawley nagte an der
Unterlippe, spielte mit einer Kruste auf seinem Teller. »Ich bin der
Admiral dieser Flotille. Roffels Tod hat mich beunruhigt, und Brackleburys
verdächtiges Benehmen hat mein Mißtrauen nur noch vertieft. Ich
sah, daß die Besatzung von Bord ging, und es machte mir Sorgen, daß
nur Bracklebury und jene beiden anderen auf dem Schiff blieben.« Er
hob die Schultern. »Zunächst nahm ich es hin. Die Parole wurde
weitergegeben, die Lichtsignale ebenfalls, und auf den Schiffen schien
alles ruhig zu sein. Aber als ich über das Deck ging, sah ich, daß
der God’s Bright Light vom Kai her Lichtzeichen gegeben wurden.«
Crawley zögerte. »Ihr habt von zwei Dingen gesprochen?«
»Aye!« blaffte
Cranston. »Die Hure Bernicia kam zum Kai und rief die God’s
Bright Light an. Bracklebury trieb sie mit einem Schwall von Flüchen
davon. Den Wortwechsel habt Ihr doch sicher gehört?«
»Ja, ja, natürlich«,
sagte Crawley müde. »Ich habe es gehört, und ich habe auch
eine Laterne durch den Dunst vom Kai herüberblinken sehen. Ich wurde
mißtrauisch, und deshalb fuhr ich hinüber. Doch an Bord war
alles in Ordnung. Die beiden Matrosen standen auf Wache. Bracklebury saß
in der Kajüte; er aß Schiffszwieback und trank ziemlich heftig,
aber betrunken war er nicht. Ich fragte ihn nach dem Lichtsignal, aber da
grinste er und sagte, daß sei eine Hure, mit der er sich
angefreundet habe; sie tue das oft, wenn er Wache habe. Er war auf eine
ziemlich unverschämte Weise höflich und griente, als ob er etwas
zu verbergen hätte.«
»Wie sah es in der Kajüte
aus?« fragte Athelstan. »Ist Euch da etwas aufgefallen?«
»Nein. Ich ging wieder
an Deck und sprach mit den beiden Matrosen.« Crawley zuckte die
Achseln. »Ihr wißt ja, wie Seeleute sind, Sir John. Sie waren
wach und auf dem Posten, aber sie hatten es sich bequem gemacht. Der eine
würfelte mit sich selbst, und der andere machte seine Späße
über die verschiedenen Arten, wie er die erstbeste Dirne nehmen würde,
der er an Land begegnete.«
»Es war also alles in
Ordnung?« fragte Athelstan.
»Nein. Aber ich weiß
nicht, was es war. Irgend etwas stimmte nicht. Irgend etwas war nicht, wie
es sein sollte. Ich ging unter Deck. Es war dunkel und still; ich fand
nichts Ungewöhnliches und kam wieder herauf.« Der Admiral trank
einen Schluck Wein. »Den Rest wißt Ihr selbst.« Er lächelte
vergebungsheischend. »Als der Matrose im Morgengrauen an Bord zurückkam
und feststellte, daß Bracklebury und die Wache verschwunden waren,
bekam ich es mit der Angst zu tun. Hier war irgend etwas Schreckliches im
Gange, und ich wollte nicht, daß man mir die Schuld daran gab; also
log ich.«
Athelstan lehnte sich zurück
und umfaßte den Becher mit beiden Händen. Er dachte an die
Eintragungen auf den letzten Blättern in Roffels Stundenbuch.
»Sir Jacob, sagen Euch
die Buchstaben SL etwas?«
Der Admiral schüttelte
den Kopf. »Nein. Ich habe Euch die Wahrheit gesagt. Ich habe kein
Verbrechen begangen.«
»Oh doch«,
widersprach Athelstan. Sogar Cranston sah ihn erstaunt an.
Sir Jacob erbleichte. »Was
wollt Ihr damit sagen?« stotterte er.
»Nun, gewissermaßen
ein Verbrechen«, erklärte Athelstan. »Ihr seid in die
Kirche von St. Mary Magdalene eingedrungen, habt Roffels Leiche aus dem
Sarg gerissen, ihr die Kehle durchgeschnitten und ein Schild mit der
Aufschrift MÖRDER an die Brust geheftet.«
Athelstan beobachtete den
Admiral genau. Er war zu dieser Schlußfolgerung erst gekommen, als
Crawley seinen Gefühlen Roffel gegenüber Luft gemacht hatte.
»Das könnt Ihr
nicht beweisen«, sagte Crawley.
»Ach, kommt, Sir Jacob,
wir brauchen es nur logisch zu betrachten. Erstens: Wenn jemand von der
Besatzung der God’s Bright Light das Verlangen gehabt hätte,
die Überreste ihres Kapitäns zu schänden, dann hätte
er es
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