Tod eines Tenors
schöne Beine, aber er hatte noch etwas anderes entdeckt, das ihn interessierte.
»Übrigens, Mrs. Llewellyn«, sagte er, »der zweite Schuh wurde nie gefunden, als man Ihr Haus durchsuchte. Sehr seltsam, oder?«
»Welcher Schuh, Mami?«, fragte Jasmine.
»Ein schwarzer Schuh mit dicker Sohle und hohem Absatz«, antwortete Evan. »Ich nehme an, dieses Modell ist gerade groß in Mode. Auf mich hat er etwas gefährlich gewirkt.«
Jasmine lachte. »Meine Mutter trägt keine solchen Schuhe, Constable. Que stupido.«
»Nein, aber Sie tun es, Miss Llewellyn«, sagte Evan und schaute auf ihre Füße.
»Was für ein Glück, dass Jasmine weit weg in Italien war, nicht wahr?«, sagte Mrs. Llewellyn rasch.
Irgendetwas ging hier vor, das er nicht verstand, entschied Evan, als er Justin suchen ging. Er fand ihn und Sergeant Watkins im Wartebereich.
»Wir sind in eine Sackgasse geraten, Constable«, erklärte Justin mit amüsierter Stimme. »Da versuche ich unablässig dem Inspektor klarzumachen, dass ich es getan habe, und er beharrt darauf, dass ich es nicht gewesen bin. Seltsam, aber wahr. Egal, die Ketten sind im Moment jedenfalls etwas gelockert, und ich falle auf der Stelle tot um, wenn ich nicht etwas zu essen kriege.«
»Ich fahre nach Llanfair zurück«, sagte Evan. »Es wäre mir ein Vergnügen, Sie ins Hotel mitzunehmen.«
»Und was ist mit meiner Mutter und meiner Schwester?« Justin sah sich suchend um.
»Der Inspektor braucht zuerst noch einige Angaben von ihrer Schwester. Soviel ich weiß, wird der Anwalt die beiden mitnehmen.«
»Das entscheidet die Sache«, sagte Justin. »Ich fahre mit Ihnen. Ich könnte es nicht aushalten, mit diesem aufgeblasenen alten Wichtigtuer in einem Auto zu sitzen.«
»Vor einigen Minuten haben Sie noch nach ihm gerufen«, bemerkte Evan.
»Nur weil ich keine Lust mehr hatte, Fragen zu beantworten«, gab Justin grinsend zurück. »Ich wusste genau, sobald der auftaucht, geht gar nichts mehr. Und ich hatte Recht. Der Inspektor hat jedenfalls ziemlich schnell aufgegeben. Der alte Knacker langweilt einfach jedermann so lange, bis er sich ergibt.«
Evan hielt Justin die Tür auf und knöpfte sein Jackett zu, als sie in den stürmischen Tag hinaustraten.
»Verdammtes Wales«, brummelte Justin, als sie durch den Regen zu Evans Auto hasteten und er sich in den Sitz warf. »Gott sei Dank war Mutter klug genug, aus diesem kalten, feuchten Haus auszuziehen. Das Everest Inn hat wenigstens eine ordentliche Zentralheizung.«
»Aber im Haus lief die Zentralheizung, als ich dort war«, sagte Evan.
»Mein Vater? Mit Zentralheizung? Sie machen Witze. Meine Mutter nannte ihn immer die walisische Bergziege. Mit ihm zusammenzuleben war wie auf einem verdammten Berghang zu hausen - sämtliche Fenster aufgerissen und ein heulender Sturm fegte durch die Wohnung.«
»Aber ich dachte -«, begann Evan und brach dann ab.
»Egal, bald bin ich wieder im sonnigen Italien.«
»Das hoffe ich, Sir«, sagte Evan ruhig.
Justin sah ihn erschreckt an. »Was meinen Sie damit?«
»Nur, dass dieser Fall noch lange nicht gelöst ist, und bis es soweit ist, wird niemand irgendwo hingehen. Wenn Sie uns also irgendwie helfen könnten ...«
»Aber das habe ich doch versucht!«, gab Justin verdrossen zurück. »Ich habe das verdammte Verbrechen schließlich gestanden. Was wollen Sie noch mehr?«
»Die Wahrheit wäre ganz nett.«
»Ich verstehe nicht, warum Sie mir nicht glauben wollen. Wirke ich zu zerbrechlich für einen Mörder?«
»Oh nein, Sir«, antwortete Evan. »Viele der schlimmsten Mörder sind ganz unauffällige Menschen.
Sie töten, weil es ihnen ein Gefühl von Macht gibt. Es liegt einfach daran, dass Sie Linkshänder sind. Ihr Vater muss aber von einem Rechtshänder erschlagen worden sein, der Schlag eines Linkshänders hätte die andere Kopfseite getroffen.«
»Aha. Sehr schlau.« Justin nickte. »Daran hätte ich denken sollen.«
»Warum erzählen Sie uns dann nicht, warum Sie gestanden haben - doch wohl nicht, weil Sie den Rest Ihres Leben gerne im Gefängnis verbringen möchten. Sie müssen es getan haben, weil Sie dachten, den wirklichen Mörder zu kennen und weil Sie ... sie schützen wollten.«
»Sie?«
»Ihre Mutter oder Ihre Schwester, würde ich vermuten.«
»Polizisten vermuten einfach zu viel.«
Sie hatten inzwischen den Stadtrand von Caernarfon erreicht, trostlos triefend standen die Häuser im strömenden Regen. Jetzt öffnete sich die Stadt auf grüne Wiesen hin, die
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