Tod im Schärengarten
sollte mir keine Gedanken darüber machen.«
Seine Stimme versagte, er räusperte sich und versuchte es noch einmal.
»Papa hat über solche Sachen meistens gelacht«, sagte er leise. »So etwas kann Anwälten schon mal passieren, aber es ist nicht gefährlich, hat er gesagt, als ich ihn fragte, ob er keine Angst hat. Später habe ich dann nicht mehr dran gedacht.«
Thomas machte sich eine Notiz, dass sie überprüfen mussten, ob Juliander eventuell den Erhalt von Drohbriefen angezeigt hatte. Er notierte außerdem, dass die Briefe an die Privatadresse geschickt worden waren, obwohl die Familie eine geheime Telefonnummer hatte.
Andererseits war es nicht besonders schwer, Adresse und Telefonnummer von Personen ausfindig zu machen, die eine sogenannte Geheimnummer hatten. Es gab allerlei Webseiten, die solche Angaben mit Freuden veröffentlichten. Außerdem rückten sogar die bekanntesten Firmenchefs Adresse und Mobilnummer an Schulabsolventen- und Verbandsverzeichnisse heraus. Es war kein Kunststück, die gewünschten Daten zu finden, wenn man nur wollte.
Margit wandte sich an Sylvia.
»Wie war die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Mann? Führten Sie eine glückliche Ehe?«
Sylvia zuckte bei der Frage zusammen, als sei sie empört über ein solches Eindringen in ihr Privatleben.
»Wir waren fast dreißig Jahre verheiratet. Wir haben drei gemeinsame Kinder.«
»Würden Sie bitte auf meine Frage antworten?«, sagte Margit freundlich. »Wie würden Sie Ihre Ehe beschreiben?«
Sylvia blickte sie vorwurfsvoll an. Nach einem Seufzer und einem schnellen Blick zu ihrem Sohn entschied sie sich schließlich zu antworten.
»Einen Großteil der Zeit war ich allein«, sagte sie. »Oscar war sehr oft weg. Er musste beruflich viel reisen. Außerdem hatte er eine Reihe anderer Verpflichtungen. Anwaltskammer, KSSS .«
»Erzählen Sie uns von seinem Engagement im Segelsport«, bat Thomas.
Sylvia lächelte ein wenig nostalgisch, und auf einmal veränderte sich ihr Gesicht. Es leuchtete auf, und plötzlich glätteten sich ihre verhärmten Gesichtszüge und man sah, dass sie eine schöne Frau war. Thomas konnte verstehen, warum der Frauenheld Oscar Juliander sich einst in sie verguckt hatte.
»Oscar hat das Segeln geliebt«, sagte sie. »Schon seit er ein Junge war. Er hat immer Regatten gesegelt, je größer die Boote, desto besser. Ich glaube, dass er seine besten Stunden auf dem Meer hatte. Dort kam er gewissermaßen zur Ruhe, obwohl es ja darum ging, Rennen zu gewinnen.«
»Segeln Sie gern?«, erkundigte Margit sich.
Sylvia lachte nervös auf. Der entspannte Ausdruck verschwand und die gequälte Ehefrau kehrte zurück.
»Ich? Nein, ich kann dem Segeln nichts abgewinnen. Ich werde schon seekrank, wenn ich nur einen Mast sehe.« Sie zog die Jacke enger um den Körper. »Aber für Oscar war es das Leben. Unser ältester Sohn ist genauso, aber David nicht. Oder, Schatz?«
Sie blickte ihren Sohn an, der zustimmend nickte und unbeholfen ihre Hand drückte.
»Was haben Sie gemacht, wenn Ihr Mann auf dem Meer war?«, fragte Thomas.
Sylvia zuckte resigniert mit den Schultern.
»Entweder bin ich mitgekommen und habe an Land auf ihn gewartet. Oder ich bin auf Ingarö geblieben, in unserem Sommerhaus.Ich habe oft auf Oscar gewartet, das kann man wohl sagen. Es wurde zu einem festen Bestandteil unserer Ehe.«
»Haben Sie sich auch im KSSS engagiert?«, wollte Margit wissen.
»Nicht besonders.« Sie schüttelte den Kopf. »Oscar wollte gern, dass ich mich mehr beteilige, also habe ich mein Bestes getan. Aber interessiert hat es mich eigentlich nicht.«
»War nicht geplant, dass Ihr Mann im Herbst zum Vorsitzenden gewählt werden sollte?«, sagte Thomas.
»Das ist richtig. Aber ich habe das nicht so genau verfolgt. Es war mir nicht wichtig.« Sie öffnete die Arme in einer hilflosen Geste. »Es hätte ja doch nicht dazu geführt, dass Oscar öfter zu Hause ist. Es wäre nur eine weitere Verpflichtung gewesen, die dafür gesorgt hätte, dass er noch weniger Zeit für seine Familie hat.«
»Wieso hat man ein Haus auf Ingarö, wenn man auf einem Wassergrundstück in Saltsjöbaden wohnt?«, sagte Margit, als sie das große, graue Haus hinter sich ließen. »Ein Haus am Meer gegen ein anderes tauschen, hat das einen Sinn?«
Thomas hatte den Volvo gewendet und begnügte sich mit einem Lächeln als Antwort.
»Was denkst du über diese Drohbriefe? Die Russenmafia hat ja ihre Methoden, aber das hier klingt eher nicht danach«,
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