Tod in der Walpurgisnacht
eingetroffen.
«Meinst du, du könntest heute einkaufen?«, fragte sie.
»Ja, denke schon«, sagte er mit mäßiger Begeisterung, denn er hatte sich schon gefreut, um die Sache herumzukommen. »Brauchen wir was Besonderes?«
»Cecilia hat eben angerufen und gesagt, dass sie schon heute nach Hause kommt. Sie hat ein paar freie Tage und bringt ihren Freund mit.«
Claesson hörte deutlich die Freude in Veronikas Stimme.
»Wie schön«, brachte er dann noch heraus.
Und das war es natürlich auch, um nicht zu sagen phantastisch, dass es Cecilia so gut ging. Aber er hatte einfach keine Zeit. Und der Freund war angeblich ein Forscher. Wahrscheinlich so ein weltfremder Typ.
»Aber ich kann nicht versprechen, dass ich es schaffe, rechtzeitig nach Hause zu kommen.«
Sie holte Luft.
»Ah. Na ja, ich wollte nur fragen«, sagte sie. Und dann kam es: »Ich habe schließlich die Mädchen hier.«
So war es. Und nun sollte sie auch noch einkaufen.
»Glaubst du, du kriegst das hin?«, fragte er in Ermangelung von besseren Ideen. Er konnte ihr kaum böse sein.
»Natürlich«, sagte sie. »Was muss, das muss!«
Die Frühjahrssonne strömte durch die hohen Sprossenfenster und bildete helle Felder auf dem Fußboden. Aus dem Keller drang kein Geräusch.
Im Keller von Pär Rosenkvist war es wohl auch immer stiller geworden. Bedrückend still. Nur seltene und leise Klopfzeichen einer erschöpften Frau. Verdammt, dass sie aber auch den Keller nicht früher durchsucht hatten! Was für ein verdammtes Glück, dass Tina noch nicht tot war. Sie war auf dem besten Wege gewesen wegzudämmern. Kurz nachdem Pär Rosenkvist auf der Storgatan in Kalmar Kleidung für Tina eingekauft hatte, war sein Interesse für die Sekretärin gewachsen, und er hatte angefangen, »sich zu erlauben, Tina zu vergessen«, wie er es ausdrückte.
Das Wort »ficken« kam ihm in den Sinn. Pär Rosenkvist hatte es selbst gebraucht: Er war in den Keller gegangen, um sich »abzuficken«. »Es sich besorgen zu lassen«. »Sich eine Frau zu nehmen«. Dabei hatte er gerade die neue Beziehung begonnen, man durfte sich fragen, wie betrogen und gleichzeitig erleichtert sich jetzt wohl die andere Frau fühlte. Er hatte seiner Frau nicht mehr regelmäßig Essen gebracht. Sie war zu einem vernachlässigten, ausgemergelten Tier geworden. Claesson musste an Kreaturen denken, die ohne Wasser oder Futter dahinvegetierten.
Er musste an das denken, was sie Rosenkvist hatten entlocken können. Es gab viel Teuflisches auf der Welt, das wusste er, aber das hier schoss den Vogel ab.
Pär Rosenkvist hatte gesagt, die ganzen »Probleme« mit Tina hätten begonnen, als sie nicht an den Schlägen starb. Er hatte sich auf sie gestürzt, nachdem er erfahren hatte, dass sie mit einem anderen Mann zusammen gewesen war. Er hatte nicht vorgehabt, ihr wehzutun, und schon gar nicht, sie zu verletzen, und absolut überhaupt nicht, sie umzubringen, aber er hatte einfach die »Fassung verloren«.
Der Klassiker, dachte Claesson. Das sagen alle, die schlagen, und schieben damit die Schuld für das Geschehen auf das Opfer.
Tina lag bewusstlos in einem Kleiderschrank, und Pär ging davon aus, dass er sie totgeschlagen habe. Die Panik wuchs, was sollte er mit der Leiche machen? Da bewegte sie sich, und weil er nun mal so sensibel sei, habe er sie nicht totschlagen können – das sagte er fast mit Tränen in den Augen. Stattdessen hat er sie früh am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang ins Auto gesetzt und nach Kristdala gefahren und bei seinem Arbeitsplatz in einer alten Baracke eingeschlossen, zu der im Grunde nur er einen Schlüssel hatte und die nie benutzt wurde.
Schon bald fand er es ziemlich unpraktisch, immer dahinschleichen zu müssen, um ihr Essen zu geben und den Eimer zu leeren. Die Baracke steht ein wenig entfernt von den anderen Gebäuden, so dass niemand sie schreien oder klopfen hören konnte. Doch habe sie recht schnell damit aufgehört, erzählte Rosenkvist. Sie wurde apathisch, wahrscheinlich weil sie, wie Claesson annahm, nicht genug Essen bekam.
In der Zeitung hatte Rosenkvist dann von einem Mädchen gelesen, das viele Jahre von einem Verrückten eingesperrt worden war, ohne dass jemand dies gemerkt hatte. Und da kam ihm die Idee, es genauso zu machen, zumindest übergangsweise, bis ihm eingefallen wäre, wie er »das Problem« mit Tina lösen könnte. Seine Mutter und Tinas Eltern waren sehr hilfsbereit gewesen, wenn es darum ging, die Kinder zu nehmen, und so hatte er das
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