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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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gekommen, von dem alten Masi, wie ich ihn heute morgen gesehen hatte. Er hatte sein Reisigbündel mit Draht zusammengebunden! Der Gedanke war vielleicht schon halb dagewesen, als ich ihn sah, der Gedanke, daß er Draht besaß zu einer Zeit, da man um keinen Preis welchen bekam. Ich trat wie ein Wilder in die Pedale, und die Leute, die zweifellos durch die Schlitze ihrer heruntergelassenen Jalousien sahen, müssen geglaubt haben, es liege jemand im Sterben, oder die Deutschen seien hinter mir her. Als ich zu Masis Haus kam, war es zu spät. Der Feldwebel war schon mit vier seiner Leute da. Und noch jemand: der junge Ernesto Robiglio.
    Es gehörte natürlich nicht viel dazu, herauszufinden, wer den Draht zerschnitten hatte. Masis Haus war das einzige in der Gegend, wo sie die Lücke gefunden hatten, und die Reisigbündel lagen vor seiner Tür in der Abendsonne aufgestapelt, wo jeder sie sehen konnte. Der alte Mann selbst stand unter seiner Haustür, und vier Maschinenpistolen waren auf ihn gerichtet. Ich glaube, er hatte zu dem Zeitpunkt noch gar keine Ahnung, was er getan hatte. Der Feldwebel, puterrot vor Zorn, brüllte ihn auf deutsch an, und natürlich verstand er kein Wort. Ich blieb ein Stück entfernt unter einem Pfirsichbaum stehen und sah zu. Es schien unvermeidlich, daß sie ihn erschießen würden. Ich konnte der Tirade des Feldwebels nicht besser folgen als Masi, aber dann trat der junge Ernesto vor, deutete auf die drahtumwickelten Reisigbündel und sagte etwas. Ich konnte nicht genau verstehen, was gesagt wurde, aber ich sah, wie Masi seinen zerknautschten Hut zurückschob und sich am Kopf kratzte. Er versuchte zu erklären, öffnete die großen Hände, um seiner Unwissenheit Ausdruck zu geben, und blickte bestürzt auf die Anstoß erregenden Bündel. Dann bellte der Feldwebel Befehle, und die vier Soldaten veränderten leicht ihre Stellung. Ich dachte: »Das war’s«, schloß die Augen, um nicht zusehen zu müssen, wie er zusammenbrach, und wartete auf die Salve. Schweigen, dann ein weiteres Brüllen des Feldwebels. Ich machte die Augen auf und sah ihn noch immer bellend davonstapfen, seine Männer hinterher. Masi stand nach wie vor unter seiner Haustür und starrte ihnen nach, so verblüfft wie eh und je. Von Ernesto war nichts zu sehen. Die Telefonleitung wurde repariert, und von dem Zwischenfall hörte man nichts mehr. Dennoch drang etwas von Ernestos Rolle dabei durch, und von da an hatten die Leute Angst vor ihm. Allgemein sah man ihn tagsüber bei der faschistischen Partei herumhängen, aber dann sah ich ihn immer häufiger auch nach Einbruch der Dunkelheit umherschleichen. Ich hatte aufgrund meiner Arbeit einen Ausweis, daß ich nach der Sperrstunde noch hinaus durfte, und ein- oder zweimal sah ich ihn in großer Eile auf einem Motorrad davonrasen. Offensichtlich hatten ihn die Deutschen in der Villa enttäuscht. Ernesto fand die passende Gesellschaft, nach der er suchte, bei der SS, wie wir bald erfahren sollten.
    Der Sommer zog sich hin, die Ernte wurde eingebracht und prompt requiriert, die Alliierten ließen auf sich warten. Maria war mehr oben in der Villa als zu Hause, aber da ihr Mann bei den Partisanen kämpfte, hielten die meisten Leute den Mund, zumindest gegenüber der alten Signora Moretti, der Armen, die nun zwei kleine Enkel versorgen mußte und noch dazu Gefahr lief, ihren einzigen Sohn zu verlieren. Wenn auch sie den Mund hielt, dann nur, weil sie noch weniger zu essen gehabt hätten, wäre nicht Maria gewesen, die nie ohne eine große Tasche voller Lebensmittel die Villa verließ.
    Dann, in einer heißen Juninacht, kam Pietro, Marias Mann, nach Hause. Ich habe mich seitdem oft gefragt, was wohl aus ihm geworden wäre, wenn die Dinge anders gelaufen wären, als sie liefen, und bin zu keinem Ergebnis gekommen. Rückblickend erscheint es mir, als hätte es nicht anders laufen können, als hätte sich sein erst kurzes Leben Schritt für Schritt auf das unvermeidbare Ende zubewegt und nichts hätte es verhindern können, obwohl ich in jener Nacht weiß Gott versucht habe, ihn vor sich selbst und dem, was ihn erwartete, zu retten. Hier, in diesem Zimmer.
    Ich hatte an dem Tag gerade Maria gesehen, als ich mit meinem Fahrrad den Hügel zur Villa hinaufschnaufte. Sie kam mir in einem dünnen, geblümten Kleid und kaputten Sandalen entgegen, am Arm eine alte, mit Lebensmitteln vollgestopfte Einkaufstasche. Sie lächelte und grüßte, nicht wissend, daß sie wenig später diesen Hügel

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