Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
im Gefängnis gesessen hat», antwortete Emilio.
«Niki, Marco, ich kann mir keinen Reim darauf machen», sagte Puttmenger, «das würde ja bedeuten, dass die beiden sich kannten.»
«Das sehe ich auch so.»
«Niki soll versucht haben, mich und andere zu erpressen? Nein, das glaube ich nicht.»
«Das würde erklären, wie er plötzlich zu Geld gekommen ist. Darf ich fragen: Wurden Sie vor zehn Jahren schon mal erpresst und haben vielleicht bezahlt?»
«Um Gottes willen, nein», protestierte Puttmenger.
Spontan zeigte Emilio dem Professor den Safeschlüssel aus dem Spielzeugauto. «Kommt Ihnen dieser Schlüssel bekannt vor? Haben Sie eine Idee, wo er passen könnte?», fragte er.
Puttmenger zuckte mit den Schultern. «Ist jedenfalls kein Wohnungs- oder Zündschlüssel», scherzte er, «nein, nie gesehen!»
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Ein gewisser Johann Nepomuk Huber hatte den Anfang gemacht. Er war Arzt. Ebenso wie später Franz Tappeiner, der heute nur deshalb bekannter ist, weil nach ihm eine vier Kilometer lange Promenade benannt wurde, die sich oberhalb von Meran am Küchelberg erstreckt und von Palmen und exotischen Pflanzen gesäumt wird. Der Tappeinerweg wurde 1893 eröffnet, aber schon 1837 hatte Johann Nepomuk Huber, der kein Geringerer war als der Leibarzt der Fürstin von Schwarzenberg, das heilsame Klima von Meran gerühmt. Wobei er sich dazumal zu der kühnen Behauptung verstieg, dass sich in Meran die Lebenserwartung deutlich verbessern ließe. Das sprach sich beim Adel rasch herum, und so kam es, dass Meran im 19. Jahrhundert bald als Kurort von Rang und Namen galt. 1870 sowie im darauf folgenden Jahr kam die erholungssuchende Kaiserin Sissi an die Passer – eine bessere Publicity hätte sich Meran nicht wünschen können. An der Sommerpromenade findet sich denn auch ein Denkmal, das an die Kaiserin Elisabeth erinnert.
Emilio wäre es nicht im Traum eingefallen, sich irgendwohin zur Kur zu begeben. Er glaubte nicht an die Möglichkeit, durch Einatmen von guter Luft, durch Wasserbäder, Massagen oder Fangopackungen sein Lebensende hinauszuzögern. Zudem bestand die Gefahr, auf nassen Fliesen auszurutschen, im Moorbad zu ertrinken oder gar von einem weiblichen Kurschatten bedrängt zu werden – was einen in den frühen Herztod treiben konnte. Mit dieser Auffassung stand er allerdings im totalen Widerspruch zu «Tante» Theresa. Die alte Freundin seiner längst verstorbenen Mutter führte ihre unbestrittene Vitalität ganz vehement auf ihre Vorliebe für ausgedehnte Kururlaube zurück und auf die Tatsache, dass sie mit Meran den «gesündesten Ort der Welt» als Hauptwohnsitz gewählt hatte.
Emilio, der mit Theresa an der Passer spazieren ging, wagte nicht zu widersprechen. Er hoffte, dass sie bald pausieren würden. Theresa machte im Gehen munter Konversation, das nötigte ihm Respekt ab, weil die alte Dame keine Atemnot kannte. Leider, denn die angesprochenen Themen gefielen ihm nicht, obwohl sie kaum überraschend waren. Schon seit fünf Minuten fragte sie ihn über Phina aus, wollte sie wissen, warum er sie nicht mitgebracht hatte. Sie sei doch eine ausgesprochen liebenswerte Person, fleißig, gescheit und gut aussehend. Sie müssten sich doch prächtig verstehen, oder? Emilios wortkarge und ausweichende Antworten stellten Theresa nicht zufrieden. Ihm kam der Gedanke, dass sich seine Tante als Kupplerin betätigen wollte. Wenn das stimmte, war das gehörig in die Hose gegangen.
Ihre Fragen zu Nikis Tod waren hingegen ohne Hintergedanken, waren auch legitim, schließlich bezahlte sie ihn für seine Ermittlungen. Nur konnte sie nicht ahnen, dass das eine nicht ohne das andere zu erklären war.
Emilio deutete auf eine Parkbank und fragte, ob sie sich nicht für einen Moment setzen könnten, sein Bein bereite ihm Probleme. Dann berichtete er, was er in der Causa Niki alles unternommen hatte. Er erzählte vom Bergführer Steff, von seiner Informantin in der Bozner Quästur, vom pensionierten Kriminalrat Gamper, von Gesprächen mit Nikis alten Freunden wie Professor Puttmenger und Ernst Steixner. Sogar seine Begegnungen mit Kas-Rudl verschwieg er nicht. Er nahm sich allerdings die Freiheit, alle Informationen wegzulassen, die eigentlich von Belang gewesen wären. Auch Valerie Trafoier erwähnte er. Theresa hatte keine Ahnung, dass ihr Sohn mit ihr liiert gewesen war.
Sie drängte Emilio, die entscheidende Frage zu beantworten: War Niki nun einem Bergunfall zum Opfer gefallen, oder hatte
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