Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
von Jacop die verschiedenen Varianten, an einem Armbrustbolzen zu sterben, während er stoisch weiterrannte und die schrecklichen Seitenstiche zu ignorieren versuchte, die ihn wie Vorboten seiner endgültigen Niederlage zu peinigen begannen.
Laß die Finten. Lauf schneller!
Er war der Meute auf dem Forum entwischt. Er hatte bis jetzt noch jeden abgehängt. Hätte man ihn nach dem schnellsten Läufer von Köln gefragt, würde er ohne zu zögern seinen Namen genannt haben.
Er war schnell. Aber nicht ausdauernd.
Auf dem kopfsteingepflasterten Untergrund der alten römischen Heerstraße, die der Eigelstein einmal gewesen war, schlugen die Füße des Unbekannten einen gleichmäßigen, fast entspannten Trommelrhythmus. Dem Geräusch nach verursachte ihm das Laufen nicht die geringste Anstrengung, während Jacop inzwischen glaubte, seine Lungen müßten platzen.
Er hätte mich längst töten können, fuhr es ihm durch den Kopf. Warum hat er es noch nicht getan? Will er warten, bis ich zusammenbreche? Natürlich, er spielt mit mir! Er weiß, daß ich ihm nicht entkommen kann. Warum soll er also schießen? Er wird mich einfach weiterhetzen, bis ich so langsam werde, daß er sauber zielen kann. Er ist nichts als ein fauler, verwöhnter Hund, das ist alles.
Vor ihm tat sich die nächste Kreuzung auf. Rechts ging es hoch zum Ursulinenkloster, links runter zum Rhein. Er konnte sich aussuchen, auf welchem der Wege er sterben wollte. Breit genug waren beide.
Wut durchlohte ihn.
Es reichte. Alles reichte! Er war es leid, weitere Haken zu schlagen, leid, davonzurennen, das ganze Leben immer nur im Laufschritt zu verbringen. Er hatte es satt bis obenhin!
Dann sah er wenige Meter vor der Abzweigung zum Rhein einen Durchgang zwischen den Häusern klaffen.
Schwach kam ihm die Erinnerung, daß dahinter die Bethlehemskapelle lag, eine winzige Kirche, die zu einem der angrenzenden Höfe gehörte.
Wenn ihn sein Gedächtnis nicht täuschte, führte der Durchgang geradewegs in eine schmale, von Unkraut und Bäumen überwucherte Gasse, die sich in einem Gewirr von Wegen durch die stiftseigenen Weingärten verzweigte. Er war hier schon einmal gewesen. Das Gelände um die Kapelle war nicht sonderlich gepflegt, die Mauern und Zäune teilweise verfallen, so daß man leicht in die Gärten gelangte.
Dort konnte er entwischen! Im Unterholz war Jacop nicht einmal von diesem teuflisch schnellen Verfolger zu schlagen.
Er lief, bis er fast schon dran vorbei war. Dann sprang er unvermittelt nach links und schlitterte in die Gasse hinein, so haarscharf, daß seine Schulter schmerzhaft am Stein der Mauereinfassung entlangschürfte. Hinter ihm geriet der gleichmäßige Lauf des anderen ins Stocken. Er versuchte zu bremsen, verlor Zeit. Jacop hatte einen Vorsprung herausgeschlagen, soviel war sicher. Jetzt hing alles nur noch von seinem Orientierungsvermögen ab.
Im ersten Moment sah er nichts als dichteste Schwärze, dann konnte er schwach die Konturen der Bäume und das Seitenschiff der Kapelle ausmachen.
Und noch etwas. Direkt vor ihm.
Jacop wollte es nicht fassen.
Das war nicht die Gasse, die er in Erinnerung hatte. Hier ging es überhaupt nicht weiter. In absehbarer Entfernung endete der Weg vor einer mehreren Meter hohen Mauer. Er hatte sich geirrt.
Die Schritte hinter ihm rückten näher, jetzt wieder schnell und gleichmäßig. Der Abstand verringerte sich. Wenn ihm nicht bald eine verdammt gute Idee kam, konnte er genausogut stehenbleiben.
Augenblick! Das war eine verdammt gute Idee!
Jacop keuchte. Beinahe spürte er schon den Bolzen im Rücken, wußte, ohne es zu sehen, daß der andere die Armbrust hob, seinen Triumph auskostete.
Noch einmal legte er mit letzter Kraft an Geschwindigkeit zu, ungeachtet der näherrückenden Mauer.
Dann bremste er abrupt, fuhr herum und rannte seinem Verfolger entgegen.
Filzengraben
Johann erklomm die Stiege und verharrte unschlüssig vor der prächtig verzierten Türe. Im Flackern seiner Kerze wurde das kostbare Schnitzwerk lebendig. Als Kind hatte er oft davorgestanden, kurz nachdem sein Onkel Gottschalk die Schnitzereien und Intarsien in einem Florentiner Handelshaus entdeckt und mitgebracht hatte. Es hieß, die Arbeit stamme aus der Gegend um Byzanz und sei während des ersten Kreuzzugs in die Hände venezianischer Ritter gefallen. Oft, wenn das Licht entsprechend war, fuhren gemaserte Schiffe über einen Ozean aus dunklem alten Holz, reckten Ungeheuer und Dämonen mahagonifarbene Hälse und
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