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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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heiligen Jungfrau hindurch, die lautstark um die Kürbispreise feilschten, übertönt vom melodischen Lärm der Ausrufer, rempelte einen reichgekleideten Kaufmann an und stolperte, Entschuldigungen brabbelnd, gegen einen Stand mit Möhren und Bleichsellerie. Das Manöver trug ihm drei Schimpfnamen ein, darunter erstaunlicherweise einen, mit dem man ihn in der Vergangenheit noch nicht bedacht hatte, sowie ein paar schöne, glatte Karotten, prall vor Saft. Schon mal nicht schlecht.
    Er sah sich um und überlegte. Er konnte einen Abstecher zu den Apfelkisten der Bauern vom Alter Markt unternehmen. Das war der sichere Weg. Ein paar Stücke reifes Obst, die Möhren. Hunger und Durst gestillt.
    Aber es war einer dieser Tage – Jacop wollte mehr. Und dieses Mehr lag leider auf der weniger sicheren Seite des Forums, im Süden, bezeichnenderweise dort, wo die Zahl der Geistlichen unter den Marktgängern zunahm. An den Fleischbänken.
    Die Fleischbänke –
    Dort war erst letzte Woche einer zum wiederholten Male erwischt worden. Sie hatten ihm etwas vorschnell die rechte Hand abgehackt und ihn tröstend darauf hingewiesen, jetzt habe er Fleisch. Im nachhinein stellte die Kölner Gerichtsbarkeit klar, es habe sich hierbei um einen keineswegs gebilligten Akt der Selbstjustiz gehandelt, aber davon wuchs die Hand auch nicht mehr an. Und letzten Endes: selber schuld! Fleisch war nun mal kein Essen für die Armen.
    Und doch, hatte nicht der Dekan von St. Cäcilien erst kürzlich erklärt, unter den Armen sei nur der mit Gott, der seine Armut ehrlich trage? War Jacop also gottlos? Und konnte man einem Gottlosen vorwerfen, daß er der Versuchung des Fleisches nicht zu widerstehen vermochte? So, wie ihn das Fleisch versuchte, war die Versuchung des heiligen Johannes jedenfalls ein Dreck dagegen.
    Aber es war gefährlich.
    Kein Gewimmel wie im Norden, wo man untertauchen konnte. Weniger Gäßchen. Nach den Fleischund Speckbänken nur noch die öffentliche Tränke, und gleich im Anschluß der fatale öffentliche Platz am Malzbüchel, wo sie den armen Kerl von letzter Woche gestellt hatten.
    Besser vielleicht doch die Äpfel? Fleisch lag ohnehin zu schwer im Magen. Andererseits lag es in seinem Magen besser als in einem Pfaffenmagen. Fand Jacop.
    Sehnsüchtig schielte er hinüber zu den Ständen, wo die roten Stücke mit den fetten, gelben Rändern gehandelt wurden. Es war schon in Ordnung so. Das Schicksal hatte eben nicht gewollt, daß er ein Richer wurde. Aber daß er an gebrochenem Herzen starb, konnte es noch viel weniger gewollt haben.
    Während er schwermütig zusah, wie die Objekte seiner Begierde munter die Besitzer wechselten, bemerkte Jacop Alexianer, Franziskaner und Konradiner, Prioren von den Kreuzbrüdern und die schwarzen Kutten der Minoriten zwischen stolzen Bürgerfrauen in weinroten Roben mit goldenen Schnallen, die hocherhobenen Häupter gekrönt von reichbestickten Seidenhauben.
    Seit Erzbischof Konrad der Stadt im vergangenen Jahr endgültig das Stapelrecht verliehen hatte, gab es keinen glanzvolleren Markt als den zu Köln. Leute aller Stände trafen sich hier, niemand war sich zu schade, seinen Reichtum zur Schau zu stellen, indem er vor den Augen seiner Nächsten die Gademen leerkaufte. Der ganze Platz wimmelte zudem von Kindern, die ihre Standesunterschiede mit Holzstecken ausfochten oder einträchtig Schweine über den festgestampften Lehm jagten. Gegenüber dem von Bettlern umlagerten Kaufhaus der Leinwandhändler an der Ostseite des Forums begann der Rindfleischverkauf. Dort hingen getrocknete Würste, von denen ein rundes Dutzend soeben im Korb eines teuer gekleideten Alten mit spitzem Hut verschwand, und Jacop wäre am liebsten mit hineingekrochen.
    Beziehungsweise, es verschwand nicht ganz. Als der Mann nämlich knöchern weiterschlurfte, baumelte eine der Würste keck heraus.
    Jacop sah sie mit aufgerissenen Augen an.
    Sie sah zurück. Sie versprach ihm den Vorhof zum Paradies, das himmlische Jerusalem, die Seligkeit auf Erden. Sie platzte fast vor Schönheit. Im dunkelrotbraungeräucherten Fleisch unter der strammen Pelle blickten freundlich hunderte kleiner, weißer Fettstückchen zu ihm hin und schienen ihm vertraulich zuzuzwinkern. Ihm war, als rufe ihn die Wurst zur kühnsten aller Taten, sie einfach abzuzwicken und das Weite zu suchen. Er sah sich in seinem Verschlag an der Stadtmauer sitzen und darauf herumkauen, die Vorstellung wurde zur Wahrheit und die Wahrheit zur Besessenheit. Seine Füße

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