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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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rief ich noch –«
    » – ich auch, ich auch!«
    »Herr, rief ich, achtet auf Eure Schritte –«
    »Ihr werdet stürzen –«
    » – geht nicht weiter, aber es war zu spät. Ich sah ihn fallen, fallen sah ich ihn gleich einem verdorrten Apfel –«
    »Er fiel, und es zerschellte ihm die Glieder!«
    » –  und brach ihn entzwei wie einen morschen Stecken!«
    Die Menge hielt den Atem an. Mathias lehnte sich an den Türpfosten und beobachtete interessiert das Schauspiel. Der Kleinere von beiden, ein korpulenter Bursche, hatte sich in Rage geredet.
    »Und als wir gingen hin«, deklamierte er, »zu sehen nach dem gestürzten Bruder und geistlichen Beistand ihm zu spenden, tat er noch einmal die Augen auf –«
    »Und beichtete!«
    »Beichtete seine Sünden, ja! Möge der Herr mir meine große Schuld vergeben, sprach er, wie auch ich vergebe meinen Schuldigern –«
    »Amen!«
    » – auf daß die Gnade Gottes mich umfange –«
    »Amen! Und starb.« »– und ewiger Friede mir gewiß sei, sagte er, und –«
    »Und starb!«
    »In Gottes Namen, ja! Und starb!«
    »Amen! Amen!« Die Leute waren ergriffen. Einige schlugen das Kreuz. Die beiden Mönche sahen sich mit offensichtlicher Zufriedenheit an.
    »Erzählt's noch einmal, ehrwürdige Brüder«, kreischte eine Frau und zerrte nacheinander ein paar schmutzige Kinder nach vorne. »Die Kleinen haben es noch nicht gehört.«
    Der Mönch mit der lauteren Stimme hob beschwörend die Hände und riß die Augen auf.
    »Oh Herr«, lamentierte er, »wie es schmerzt, immer wieder aufs Neue Zeugnis abzulegen vom Tode deines geliebten Sohnes Gerardo, magister lapicide, rectori fabrice ipsius ecclesie. Mein Leben hätte ich für ihn hingegeben, aber dein Wille geschehe. Dennoch! Ihn stürzen zu sehen, derweil mein Bruder hier, Andreas von Heimerode, und ich selber in frommer Einkehr am Fuße des Kapellenkranzes weilten, oh heilige Jungfrau Maria, holdes Gefäß der Gnade und Barmherzigkeit, es war, als quälten mich tausend glühende Dolche. Mein Augenlicht wollte schwinden vor Gram. Aber dürfen wir klagen, wenn es Gott gefallen hat, Bruder Gerhard zu sich zu nehmen? Müssen wir nicht in heiliger Freude den Augenblick preisen, da er – seines unwichtigen, irdischen Weges nicht mehr achtend – zur Wiedergeburt schritt? Denn, Ihr Brüder und Schwestern, was ist der Tod als die eigentliche Geburt in Gott, was sonst soll uns erfüllen als Erregung im Antlitz des Todes, da auch wir vielleicht schon bald vor den Richter treten, um seiner unendlichen Milde teilhaftig zu werden? Gewiß, der Dom, er hat seinen Meister verloren, aber es werden andere folgen, und Gerhards Geist wird sie durchwallen. Nicht eitel wollen wir sein zu dieser Stunde, nicht uns verlieren in der unreinen Liebe zu den Dingen, zu Steinen und Türmen, buntem Glas und Mosaik. Ja, wir sahen Gerhard fallen, sahen ihn stürzen vom höchsten Punkte des Gerüsts, da er wandelte in Gott! Nennt es einen Unfall, ich nenne es göttliche Vorsehung und Gnade!«
    »Was hat Gerhard denn gebeichtet?« schrie ein anderer.
    Der Mönch lief puterrot an und ballte die Faust.
    »Gottes Blitz fahre auf dich herab und verbrenne dich an Leib und Seele!« brüllte er. »Wie kannst du es wagen?«
    »Beten sollt Ihr statt Fragen stellen!« fiel der zweite Mönch ein und schlug einmal mehr das Kreuz. »Unablässig soll Euer Beten sein! Wollt Ihr im Traum der armen Seele angesichtig werden, die Euch anklagt, nicht all Euer Sinnen auf fromme Hilfe gewendet zu haben? Stimmt an das Credo, singt das Te Deum! Bedenket, der Tote wandelt vor das himmlische Gericht, seine Sünde ist seine Last und seine Reue seine demütig darzubringende Gabe. Aber wehe! – jenseits des Pfades lauern die Teufel, ja, die Teuflischen! Sie erwarten das Lamm auf seinem Weg zu seinem gnadenvollen Hirten, die Wölfe der Finsternis, der stinkende Unflat, das höllische Geschmeiß!« Er vollführte eine weitausholende Geste, als wolle er ganz Köln nebst Vororten verdammen. »Doch wahrlich, Ihr alle, jeder von Euch, wird diesen Weg zu gehen haben, und jeder wird sich sämtliche Gebete der Christenheit wünschen, ihn zu schützen vor den Klauen des Bösen, der seine Seele hinabzuziehen trachtet in die innerste, finsterste Hölle, wo Leviathan sich in unbeschreiblicher Ekstase windet auf dem glühenden Rost und Menschen zerdrücket mit jeder seiner ungezählten Klauen. Memento mori, memento Ijob: Er öffnet die Tore seines Maules, rings um seine Zähne lagert Schrecken –

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