Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Details machte nach Ellas Auffassung einen völlig nichtssagenden Eindruck. Sie blieb davor stehen und schaute hinauf in den vierten Stock, wo alles dunkel war. Markus mochte diesen modernen Stil, während sie eher die französische Renaissance bevorzugte. Doch Markus hatte seinen Willen durchgesetzt, als sie nach einer Wohnung gesucht hatten. Es war auch seine Idee gewesen, es das Haus aus der Jahrhundertwende zu nennen. Ella hätte es vorgezogen, wenn das Haus aus der vorherigen Jahrhundertwende anstatt der gerade vergangenen stammen würde. Es handelte sich um ein Neubaugebiet, und wenn die betörende Aussicht über das Wasser nicht gewesen wäre, hätte Ella sich nie auf einen Umzug hierher eingelassen. Sie wohnten inzwischen bald neun Jahre im Haus, waren aber erst im letzten Jahr in die oberste Etage gezogen. Sie hatten die Dachgeschosswohnung eigentlich bereits kaufen wollen, als sie einzogen, hatten sie aber zu teuer gefunden. Als der Mann, der darin wohnte, schließlich verkaufen wollte, hatten sie nicht gezögert. Doch jetzt konnte sie nicht umhin festzustellen, dass sich das Mehr an Licht und die bessere Aussicht kaum in erhöhten Glücksgefühlen ausdrückten.
Sie stieg aus dem Aufzug und schloss die schwere Sicherheitstür auf. Die Einrichtung war, wie auch das übrige Haus, modern und wurde von Stücken zeitgenössischer Designer bestimmt. Ella hatte nichts gegen die klaren Linien einzuwenden, vermisste jedoch die wärmeren Farbtöne. Markus war allerdings der Auffassung, dass sie nicht zu der modernen Einrichtung passten. Ihre Spiegelsammlung, die im Laufe der Jahre zu einer Anzahl von ungefähr dreißig mehr oder weniger einzigartigen Exemplaren aus unterschiedlichen Epochen angewachsen war, wurde ins Arbeitszimmer verfrachtet, wo sie auch einen großen Ohrensessel mit blutrotem dicken Samtbezug untergebracht hatte. Es war im Übrigen das einzige Zimmer, in dem der kalte italienische Steinfußboden mit Teppichen in kräftigen Farben bedeckt war. In den anderen Teilen der Wohnung gab es nur wenige Teppiche, und diese passten sich außerdem der diskreten grauen Einrichtung an.
Lediglich in der Küche gefiel Ella der strikte Stil. Die rostfreie Spüle und die glänzenden Oberflächen der Schränke waren leicht sauber zu halten und sorgten dafür, dass die Töpfe und Pfannen, die an diversen Haken von der Decke hingen und die Markus und sie für eine enorme Summe Geld angeschafft hatten, den eigentlichen Blickfang bildeten. Ganz zu schweigen von den Messern. Diese immer gut geschliffenen Küchenwerkzeuge spielten eine zentrale Rolle. Auf einer fast ein Meter langen magnetischen Leiste hingen zehn Messer in einer Reihe. Im Unterschied zu vielen ähnlich gearteten Küchenarrangements stammten Ellas und Markus’ Messer von unterschiedlichen Marken. Sie hatten mit einem Satz Sabatiermesser angefangen und dann im Laufe der Jahre die Messer ausgetauscht, die ihren Ansprüchen nicht genügten. Jetzt besaßen sie auch Messer von Henckels, Kershaw und Porsche. Das eine oder andere Messer von Global hatte sich ebenfalls dazwischengeschlichen. Man konnte einfach nicht leugnen, dass diese Messer eine extrem ansprechende Form besaßen. Zu ihrem Erstaunen hatte Ella feststellen müssen, dass die Marke Global in ihrem Herkunftsland im Prinzip völlig unbekannt war. Einige Personen einer Delegation aus Japan hatten sie jedenfalls verständnislos angeschaut, als sie beim Smalltalk während einer Konferenz von den ausgezeichneten japanischen Messern schwärmte, die zudem noch in schwedischen Obduktionssälen benutzt wurden. Offenbar wurden sie ausschließlich für den Export hergestellt.
Ella legte ab und blieb im dunklen Flur stehen. Obwohl sowohl sie als auch Markus wussten, dass ihr Beziehung zu Ende war, hatte keiner von ihnen es geschafft, sich der praktischen Probleme anzunehmen, nachdem sie aus dem Fjäll zurückgekehrt waren. Stattdessen hatten sie sich beide in ihre Arbeit gestürzt und so wenig Zeit wie möglich in der Wohnung verbracht. Dieses Wochenende stellte keine Ausnahme dar. Markus hatte Nachtdienst und würde bestimmt die ganze Nacht lang im Krankenhaus stehen und operieren.
Ella kochte sich frische Tortellini, rührte fertiges Pesto hinein und rieb einen mittelalten Parmesan über die Pasta. Als sie den leeren Teller betrachtete, ärgerte sie sich wieder einmal über die idiotische Größe der Pastaverpackung. Sie beinhaltete zu viel für eine Person, aber kaum genügend, dass es für zwei oder
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