Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
schien nicht einmal gehört zu haben, dass die Tür geöffnet wurde. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie ihr Anliegen vorbringen sollte, um den Namen des Verkäufers zu erfahren. Der Frau die wahren Fakten zu nennen erschien ihr keine gute Idee, und so beschloss sie spontan zu improvisieren.
»Ich bin Rechtsmedizinerin und arbeite für das Justizministerium«, begann sie selbstbewusst, während sie in bester Polizeimanier ihren Rechtsmedizinerausweis auf den Tresen schnickte.
»Aha«, stammelte die magere Frau.
»Wir versuchen gerade die letzten Lebensstunden einer gewissen Person nachzuvollziehen«, fuhr Ella fort und heftete ihren Blick auf die inzwischen vollends verstummte junge Frau.
»Und wie kann ich Ihnen dabei helfen?«, brachte diese schließlich hervor.
Ella sah sich um und vergewisserte sich, dass sie beide allein im Raum waren. Der ältere Herr war inzwischen gegangen, und keine weitere Person war zu sehen.
»Wir haben gute Gründe dafür anzunehmen, dass die Person, die diese Bronzeuhr zum Verkauf angeboten hat, über Informationen verfügen könnte, die für die Ermittlungen entscheidend sind.«
Ella gab sich todernst, und ihr auffordernder Blick erzielte bei der Verkäuferin die beabsichtigte Wirkung. Ella nannte ihr die Artikelnummer der Tischuhr und schielte ein weiteres Mal in Richtung Ausgang. Immer noch kein Mensch in Sicht.
Als Ella zwei Minuten später wieder in die Kälte hinaustrat, hallte ihr der Name Mikael Erlandsson durch den Kopf. Es hatte keiner weiteren Überredungskünste bedurft, um die Frau zu überzeugen. Sie setzte bestimmt voraus, dass Rechtsmediziner in Schweden genau wie im Film die Befugnis hatten, eigene polizeiliche Ermittlungen durchzuführen. Dass Ella angegeben hatte, sie arbeite für das Justizministerium, war außerdem keine reine Lüge, sondern lediglich eine Frage der Sichtweise. Die Rechtsmedizin unterlag nämlich genau wie die Polizei und der Strafvollzug direkt dem Justizministerium.
Auf dem Weg zurück zur Arbeit wiederholte sie den Namen, als wäre er ein Mantra. Mikael Erlandsson. Er sagte ihr nichts. Es kostete sie große Selbstbeherrschung, die Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten. Ella parkte und nahm die ihr vertrauten Treppenstufen ins Obergeschoss des Büros in fünf großen Schritten, zog ihren Ausweis durchs Lesegerät und riss die schwere Tür auf. Sie steuerte geradewegs auf ihr Büro zu und schloss die Tür hinter sich. Sie verdammte die Langsamkeit ihres Computers, während er mühsam das Fenster mit der Startseite der Rechtsmedizin öffnete. Was Computer anbelangte, war Ella nicht gerade die Geduldigste. Wenn er nicht innerhalb von ein paar Sekunden tat, was sie wollte, wiederholte sie ihre Doppelklicks mit der Maus unaufhörlich, was normalerweise damit endete, dass noch mehr Fenster geöffnet wurden und das Ganze noch länger dauerte. Als es ihr schließlich gelang, eine Personensuche nach Mikael Erlandsson durchzuführen, erhielt sie hundertneun Treffer in ganz Schweden. Sie setzte voraus, dass man nicht in eine andere Stadt fuhr, um seine Ware für den Verkauf in einem Auktionshaus anzubieten. Damit gelang es ihr, die Gruppe auf neun Personen einzugrenzen. Bei näherer Betrachtung sah sie, dass zwei Personen nur mit zweitem Vornamen Mikael hießen, während sich zwei Treffer auf ein und dieselbe Person bezogen, aber einmal eine Büronummer und das andere Mal eine Privatnummer angegeben war. Somit blieben noch sechs Mikael Erlandsson übrig. Wenn sie Zugang zu einem Bevölkerungsregister gehabt hätte, hätte sie möglicherweise noch weitere Treffer streichen können, doch dem war nicht so. Als sie das Auktionshaus aufsuchte, hatte sie nicht daran gedacht, gegebenenfalls auch nach der Adresse oder Telefonnummer von Herrn Erlandsson zu fragen.
Noch bevor Ella überlegen konnte, wie sie bei ihren persönlichen Ermittlungen weiter vorgehen könnte, klopfte es an ihrer Tür. Doktor Kauffman steckte den Kopf herein und erinnerte sie daran, dass es Zeit für das Ärztemeeting sei. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und stellte fest, dass es bereits vierzehn Uhr war und sie beinahe den halben Vormittag auf ihre private Recherche verwendet hatte. Das verursachte ihr aber kein schlechtes Gewissen. Ihre Arbeitszeit war ungeregelt, was theoretisch bedeutete, dass sie sich ihre Zeit selbst einteilen konnte, natürlich unter der Voraussetzung, dass sie ihre Arbeit erledigte. In der Praxis bedeutete es leider, dass
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