Todesstunde
Kaffee und legte die Akten der sechs Fälle vor mich. Vier waren in der Art von George Metesky, dem verrückten Bombenleger, begangen worden. Zwei waren Annäherungen an Sams Sohn gewesen, und der letzte hatte den Vampir von Brooklyn kopiert, Albert Fish.
Könnte sich unser Gesuchter mit allen dreien identifizieren?
Ich nahm einen Schluck Kaffee, lehnte mich zurück und dachte, den Blick an die Decke geheftet, über diese Frage nach. Es schien unwahrscheinlich zu sein. Auch wenn alle drei gewalttätige Spinner gewesen waren, war jeder von ihnen auf eine andere Weise geistesgestört. Der verrückte Bombenleger war ein missmutiger Angestellter von Con Edison gewesen, der vor allem Rache geübt hatte. Sams Sohn war eher wie Seda, dem es an Anerkennung mangelte und der nach Ruhm strebte, weshalb er aus einem Machtgefühl heraus tötete. Albert Fish gehörte mehr zu den klassischen sadistischen Psychopathen wie Ted Bundy, ohne wirklich berühmt werden zu wollen. Ihm war es nur auf die sexuelle Erregung angekommen, die er gespürt hatte, wenn er anderen Menschen hatte Schmerzen zufügen können.
Ich hob meinen Stift und drehte ihn zwischen den Fingern. Wie konnte ein Mensch gleichzeitig Rache üben, auf schräge Spannung aus sein und Spaß daran haben, jemandem Schmerzen zuzufügen?
Unmöglich, kam ich zu dem Schluss, während ich erfolglos den Kugelschreiber an die Decke warf, damit er dort stecken blieb. Es ergab alles keinen Sinn.
56
Da fiel mir die zweitgescheiteste Idee an diesem Morgen ein. Statt mich nur in Emily Parker hineinzuversetzen, griff ich zu meinem Mobiltelefon und rief sie an.
»Hey, Emily. Tut mir leid, dass ich so früh anrufe«, meldete ich mich. »Ich habe gerade deine Sachen über diesen Nachahmer Seda durchgesehen. Er hat sich doch als Tierkreismörder ausgegeben.«
»M-hm«, machte Emily völlig benommen.
»Also, wenn unser Typ dieselbe Motivation hat, wie kann er sich dann mit allen drei New Yorker Spinnern identifizieren? Einer ist ein organisierter Techniker, einer ein unorganisierter Fang-mich-wenn-du-kannst-Dummkopf und der Dritte ein klassischer gewalttätiger Sadist. Wie ist das möglich?«
»Das ist komisch«, stimmte sie zu und gähnte. »Vielleicht sind zwei seiner Vorgehensweisen nur eine Tarnung für die echte.«
»Aber welche ist die echte und welche die Tarnung?«
»Er hat doch mit dir nur in dem Bombenfall Kontakt aufgenommen, oder?«
»Nein, er hat mir auch diesen Brief von Sams Sohn geschickt.«
»Stimmt, aber das war fast eine Kopie von Berkowitz’ Brief.«
»In dem Fall hast du recht«, stimmte ich zu. »Also, da er uns bis jetzt nicht öffentlich verhöhnt oder eine öffentliche Erklärung an die Presse geschickt hat, glaube ich nicht, dass sein Herz nur daran hängt, Berkowitz nachzuahmen.«
»Ich würde auch auf Metesky tippen«, sagte Emily. »Unser Typ ist eindeutig detailversessen, und die Bombe in der Bibliothek war nicht nur sein erstes Verbrechen, sondern auch das einzige, bei der er keine Nachahmerbotschaft geschickt hat.«
»Also Rache?«, überlegte ich. »Er versucht sich wegen Lawrence an der Welt zu rächen? Aber was ist mit seinen sozialen Fähigkeiten, über die er laut Cavuto verfügt? Berkowitz und Metesky waren Einzelgänger und Verlierertypen, während Fish verheiratet, listig, manipulativ und charmant war. Wenn jemand in der Lage ist, wie Cary Grant aufzutreten, wieso wandelt er sich dann zum überdrehten Widerling wie Metesky, der sich nachts an seine Opfer ranschleicht, losballert und wieder abhaut?«
»Aber er hat schon etwas von einem Einzelgänger«, hielt Emily dagegen. »Wie soll unsere Stimmungskanone seine Bomben vorbereiten und seine altertümlichen Waffen reinigen, ohne dass seine Freunde oder seine Familie misstrauisch werden?«
Ich ließ mich in meinen Stuhl sinken. Mir diesen Kerl vorzustellen war, als wollte ich ein Schloss auf Treibsand bauen. Doch wir waren der Sache nahe. Ich spürte es.
Mein Bürostuhl knackte laut, als ich mich plötzlich aufrichtete.
»Moment mal. Er ist detailversessen. Details sind ihm unheimlich wichtig. Das ist das Einzige, das wir über ihn wissen.«
»Ja, und?«
Ich zog die Blätter heraus, auf denen die Adressen der historischen Verbrechen aufgelistet waren, und verglich sie mit denen der aktuellen.
»Emily, weißt du, was ich glaube? Ich glaube, unser Typ ist so pingelig, dass er diese Verbrechen eigentlich noch besser hätte nachahmen können, als er es getan hat. Wenn er nur die
Weitere Kostenlose Bücher