Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
Vom Netzwerk:
hatten und auf ihren Daddy auch. Zum Glück hatte ihr Daddy bloß einen Verband gebraucht. Und er konnte immer noch normal gehen. Sie war froh gewesen, dass der Wind wehte und vor ihrem Fenster stöhnte wie eine alte Frau, weil sie so nicht hören konnte, wie sich ihre Eltern stritten, bis tief in der Nacht die Haustür schlug.
    Sie hatte wach gelegen, bis es Zeit zum Aufstehen war, und als sie zum Frühstücken in die Küche kam, waren die Augen ihrer Mutter rot und ihr Mund fest, und der Frühstückstisch war nur für zwei gedeckt. Yasmin hatte still gesessen wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht. Das war nicht schwer gewesen, denn genauso hatte sie sich gefühlt. Sie konnte nirgendwo hinlaufen, und so hatte sie schweigend zugesehen, wie ihre Mutter Daddys Bild von der Wand nahm.
    Es hilft nicht, sich an all das zu erinnern, deshalb erinnert sie sich vor allem daran, dass sie am nächsten Dienstag sieben werden wird. Es ist viel besser, an alle ihre Geburtstagstorten zu denken. An die
vom ersten Geburtstag kann sie sich nicht erinnern. An die vom zweiten auch nicht, aber sie hat Bilder von beiden gesehen.
    Ein Teddybär.
    Eine gelbe Ente.
    Zum dritten Geburtstag gab es ein dickes grünes Pony; einen Pegasus, der aussah wie ein Frosch.
    Vier ist ein Zug mit Rädern aus bunter Lakritze gewesen.
    Fünf eine Biene mit gelben Gazeflügeln, die in Flammen aufgingen, als Mommy die Kerzen anzündete.
    Sechs ein Märchenschloss.
    Und zum siebten wird es eine Ballerina geben; eine Barbie in einem Berg aus rosa Zuckerguss.
    So. Sie hat sich an alle erinnert. Alle Geburtstagstorten.
    Sie muss die Erinnerungen aufbewahren, und zwar jede mit einer ganzen Geschichte. Dann kann sie sich später dorthin flüchten, wenn ihr die Angst wieder die Brust zusammenpressen wird. Jetzt wird sie erst einmal der Stille zuhören. Das kann sie inzwischen – versuchen, den Abstand der verschiedenen Sachen abzuschätzen. Wo sie ist. Wie weit etwas von der Grube entfernt ist, in der sie gefangen sitzt.
    Die Dunkelheit kann lange, sehr lange dauern.
    Aber manchmal nicht lange genug.
    Wieder seine Stimme. Der Mann, der die Leiter herunterlässt, heruntergeklettert kommt und seine Hände auf ihren Körper legt. Sie krabbelt weg, schürft sich dabei das Knie auf, aber er ist bei ihr, bevor sie irgendwas tun kann, und packt sie mit aller Kraft. Er stellt sie genauso hin, wie er sie haben will, und sagt ihr, was sie tun soll.
    Sie gehorcht. Sie will ihn nicht noch einmal zornig machen. Sein Zorn hat schmerzhafte Fingerabdrücke auf ihren Armen und ihrem Rücken hinterlassen.
    Der Mann schaltet die Kamera ein.
    Yasmin streckt ihm die Hände entgegen, auch wenn die Nägel blutig sind, weil sie versucht hat, aus der Grube zu klettern, und dann beginnt sie zu tanzen.



Einundfünfzig
    Die Frühstücksflocken waren aus, genau wie die Milch. Clare schob ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Sie beobachtete einen Kajakfahrer, der eine silberne Linie durch den Ozean zog, und löste sich erst wieder vom Fenster, als die Mikrowelle pingte. Lasagne zum Frühstück. Sie hatte schon Schlimmeres gegessen.
    An die Küchentheke gelehnt aß sie, ohne etwas zu schmecken, und ließ stattdessen ihre Gedanken wandern. Auf der Suche nach einem roten Faden.
    Calvaleen.
    Mit der sie immer noch nicht gesprochen hatte, weil sie nicht an ihr Handy ging.
    Sie stellte die halb leer gegessene Packung in den Kühlschrank zurück, schob die Karten und Notizen beiseite und zog Madame Merles Ordner mit den grünen Benachrichtigungszetteln heraus. Calvaleens Zettel lag darin, mitsamt Adresse unterhalb der Unterschrift.
    Clare nahm die Hochstraße, um aus der Stadt zu kommen, und dann den Zubringer in die neuen Vorstädte östlich des Tafelbergs. Die Straßen schnitten wie frische Wunden durch das Gebiet, das einst als Puffer zwischen den dichten Reihen von adretten Nachkriegshäusern und den ausufernden Townships auf den Cape Flats gedient hatte. Die wenigen verbliebenen Bäume und die neuen Laternenpfosten waren mit Maklerplakaten geschmückt.
    Die bewachte Wohnanlage lag am Rand einer neuen Siedlung zwischen dem Freeway und einem trostlosen Gewerbegebiet.
Clare hielt am Tor der Anlage an. Ein Wachmann kam an ihr Fenster, ein Klemmbrett in der Hand und mit ausgebeulter Jacke, unter der sich seine Waffe abzeichnete.
    Â»Welche Nummer, bitte?« Ein unüberhörbarer

Weitere Kostenlose Bücher