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Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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sein.
    Ich sage ihm nur ungern die Wahrheit – und nehme damit die Last von meinen Schultern, um sie ihm aufzubürden –, aber vielleicht ist es besser, er weiß, was auf dem Spiel steht. Wie sehr er sich jedes Mal in Gefahr bringt, wenn er sich mir nähert. Dann kann er für sich selbst entscheiden, ob es das Risiko wert ist, mich zu lieben.
    Die Angst, er könnte sich dagegen entscheiden, ringt mit meinem Bedürfnis, ihn in Sicherheit zu wissen.
    »Es waren nicht meine Schwestern, mit denen sie mich erpresst haben«, flüstere ich.
    »Dein Vater?«, fragt er, und ich schüttle den Kopf.
    Als ihn die Erkenntnis trifft, schließt er die Augen hinter den Brillengläsern. Dann lässt er einen Schwall von Schimpfwörtern los. »Ich war es.«
    »Und sie drohten damit, deine Mutter anzuzeigen. Oder Clara.« Ich habe einen Kloß im Hals, und meine Stimme ist nur noch ein Krächzen.
    »Verdammt«, murrt Finn. Er schlägt mit der Hand gegen die hohe Steinmauer, die unser Grundstück von dem der Nachbarn trennt. »Du hättest es mir sagen sollen. Wir hätten doch zusammen eine Lösung finden können. Jetzt stecken wir beide hier fest, die halbe Stadt ist hinter dir her, und die Brüder werfen Buchhändlerinnen ins Feuer. Ich hätte beinahe ein Pferd gestohlen, um nach Hause zu reiten. Ich bin immer noch versucht, es zu tun.«
    »Das würde nur noch mehr Verdacht erregen«, sage ich. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, meine Hand streift ganz leicht seinen Arm, sodass ich beinah seine Wärme durch den Umhang spüren kann.
    »Das weiß ich selbst«, fährt er mich an, und ich mache wieder einen Schritt zurück. »Ich kann die Bruderschaft nicht einfach verlassen. Glaub mir, ich habe genug darüber nachgedacht.«
    »Es tut mir leid, Finn. Es tut mir so leid.« Ich weiß nicht, was ich noch sagen kann.
    Er fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Ich habe dich vermisst. Ich habe nicht verstanden, warum du gegangen bist, und es hat mich fast wahnsinnig gemacht. Und zu Hause wird es immer schlimmer. Die Brüder – wir – haben letzten Monat zwei Mädchen in Chatham verhaftet. Und so ist es gerade überall in Neuengland. Harwood quillt über vor Unschuldigen.«
    Er klingt verbittert. Weiß Gott, wozu er alles gezwungen wurde. »Wer waren die Mädchen?«
    »Mina Coste, wegen unsittlicher Handlungen.« Finn zieht die Stirn in Falten, und ich muss mich zurückhalten, nicht darüberzustreichen. Mina ist die jüngste Tochter der Familie, die die Pension in Chatham betreibt: ein gertenschlankes, fröhliches Mädchen mit rotblondem Haar. »Ihr Vater hat sie erwischt, als sie sich eines Abends aus dem Fenster geschlichen hat. Sie hat sich geweigert zu sagen, wo sie hinwollte. Er hat sie geschlagen, Cate, und Bruder Ishida hat ihm praktisch dazu gratuliert, und ich stand einfach nur da. Ich konnte einfach nur dastehen !«
    Ich balle die Hände zu Fäusten. So habe ich Finn noch nie erlebt. Er hat sich zwar immer schon über die strikten Regeln der Bruderschaft geärgert, aber dieser kaum im Zaum gehaltene Zorn ist neu. Ich fühle mich schuldig. »Das muss furchtbar für dich gewesen sein.«
    »Für sie selbst war es noch viel furchtbarer. Und ich konnte nichts dagegen tun!« Er gibt ein wütendes Lachen von sich. »Und dann haben sie Jennie Sauter mit einem alten Atlanten erwischt. Dabei ist sie doch nur ein Mädchen aus einer ungebildeten Bauernfamilie, das etwas über die Welt lernen wollte, und …«
    Mitten im Satz bricht er ab. »Und es wird alles noch viel schlimmer werden. Einerseits will ich nach Hause, um Mutter und Clara zu beschützen, aber andererseits will ich auch hier bleiben, wo ich nach dir sehen kann.«
    »Wo wir beide nacheinander sehen können«, korrigiere ich ihn und mache einen Schritt auf ihn zu.
    Er lächelt, bis hinauf zu seinen Augenwinkeln. Da löst sich der Knoten in meinem Bauch etwas. Vielleicht kann er mir ja doch vergeben. »Das würde mir gut gefallen, wenn du ein bisschen nach mir siehst. Ich habe mich ganz elend gefühlt ohne dich.«
    »Genau wie ich mich ohne dich. Ich habe dich schrecklich vermisst.« Ich spüre seinen Blick auf meinem Mund, die Luft zwischen uns knistert regelrecht. »Du könntest der Bruderschaft doch sagen, dass du es dir anders überlegt hast. Ich würde es dir nicht verübeln.«
    »Es ist Verrat, die Bruderschaft zu verlassen, wenn der Initiationsritus erst einmal vollzogen ist.« Finn zieht den rechten Handschuh aus und hält die Hand mit dem silbernen Amtsring hoch.

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