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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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dunkles Anhängsel über seiner etwas eingesunkenen Brust lag. Dunkelblaue Seide mit dezenten bordeauxroten, diagonal verlaufenden Streifen. Möglicherweise kam er direkt von einem Abendessen. Hatte sich unerwartet gezwungen gesehen aufzubrechen und wurde Hals über Kopf in einen völlig anderen Sinneszustand versetzt.
    Wie immer in solchen Situationen befiel sie das altbekannte nervöse Unbehagen. Keiner gewöhnt sich daran, einen negativen Bescheid zu übermitteln, wenn das Leben die falsche Richtung eingeschlagen hat oder nicht so verläuft, wie es sollte. Das Los jedes Überbringers. Sie befeuchtete ihre Lippen und räusperte sich zurückhaltend, wie um ihre Stimmbänder geschmeidig zu machen, die auf die trockene Krankenhausluft mit der Zeit empfindlich reagierten.
    Einerseits wollte sie das Ganze schnell hinter sich bringen, zum anderen empfand sie jedoch ein gewisses Mitgefühl und wollte den Mann so gut es ging auffangen. Deshalb wählte sie ein angemessenes Tempo. Anstatt zu beschleunigen, schaltete sie einen Gang herunter, zügelte ihre Rastlosigkeit und konzentrierte sich bewusst darauf, langsam zu sprechen und ihre Gesten sorgsam zu wählen. Das war wichtig, weil sie dem Sohn der schwer verletzten Frau keine allzu hoffnungsvolle Prognose für die Zukunft geben konnte. Jedenfalls nicht ohne geradeheraus zu lügen. Während sie darüber nachdachte und nach passenden Formulierungen suchte, wies sie Ted Västlund einen Stuhl vor einem überfüllten Bücherregal in dem kleinen Arztzimmer zu.
    Vor ihrem inneren Auge sah sie die freiliegende grauweiße Hirnsubstanz inmitten des zersplitterten Schädelknochens.
    Sie zog den Schreibtischstuhl zu sich heran und drehte ihn in Richtung des Mannes, während er mit gewohnter Bewegung seine Mantelschöße nach hinten schwang und auf die Sitzfläche seines Stuhls sank. Er zog den Mantel nicht aus. Vielleicht hätte sie ihn bitten sollen abzulegen, ließ es jetzt jedoch auf sich beruhen.
    Ebenso konnte sie ihre Botschaft gleich loswerden.
    »Ihre Mutter, Doris Västlund, ist ziemlich schwer verletzt, sie ist bewusstlos und wird gerade mit einem Krankenwagen zur Spezialbehandlung in die neurochirurgische Klinik nach Linköping transportiert.«
    Ihre Stimme war leise. Sie sah ihn direkt an. Wollte sehen, ob die Worte zu ihm vordrangen, eine Reaktion ablesen, doch er schaute mit leerem Gesicht an ihr vorbei, ohne etwas zu sagen.
    »Es tut mir leid, es Ihnen mitteilen zu müssen, aber ihr Zustand ist ernst.«
    Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt, machte erneut eine kurze Pause und stellte plötzlich irritiert fest, dass er sie direkt anstarrte. Doch sein Blick zeigte keinerlei Reaktion. Er war leer und ausdruckslos, als schaute er eher durch sie hindurch als in ihr Gesicht.
    »Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist. Man fand sie auf dem Fußboden der Waschküche in dem Haus, wo sie wohnt. Jemand hat sie niedergeschlagen. Es muss irgendwann am späten Nachmittag geschehen sein.«
    Stille. Sie sah davon ab, in pedantischer Korrektheit sämtliche Details offen zu legen. Diese Art Informationen hatten oftmals etwas Sadistisches. Es gab Kollegen, die in penibler Manier und ohne jeden Skrupel einen Krebsbescheid mitsamt dem voraussichtlichen Verlauf vor den Angehörigen ausbreiteten. Wer schaffte es schon, eine solche Botschaft entgegenzunehmen?
    Folglich äußerte sie sich nicht dazu, was genau geschieht, wenn jemand mit Kraft und vermutlich in Raserei mit einem harten Gegenstand auf einen ungeschützten Kopf einhämmert. Nichts über die Hirnsubstanz oder das übrige Gewebe. Das hatte Zeit, wenn es überhaupt jemals erwähnt werden musste.
    »Wir glauben allerdings nicht, dass Ihre Mutter länger dort gelegen hat, bevor sie von einer Nachbarin gefunden wurde«, sagte sie stattdessen wie zum Trost.
    Er saß nach wie vor vollkommen unbeweglich auf seinem Stuhl und starrte sie stumm durch seine in dunklen Stahl gefassten Brillengläser an, die ein wenig den Nasenrücken hinabgeglitten waren. Mit einem wohl manikürten Zeigefinger schob er den Steg sachte, wie in Trance, nach oben, ohne Veronika dabei einen Moment aus den Augen zu lassen. Die Manschettenknöpfe waren aus Gold, wie sie erkennen konnte. Mit großen sattgrünen Steinen besetzt.
    Er spreizte die Lippen, sah aus, als wollte er etwas sagen, doch außer einer Speichelblase, die in einem Mundwinkel wuchs und plötzlich platzte, brachte er nichts hervor. War er nicht mehr ganz nüchtern und hatte deshalb

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