Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Verkauf anbieten«, bemerkte Curt. »Diese Mistkerle müssen ja auf ihrem Weg aus der Stadt heraus überall geplündert haben.«
»Letztlich läuft doch wirklich alles nur darauf hinaus, sich irgend etwas für sich selbst zu sichern, nicht wahr?« Finn deutete auf ein großes Stück grell rosarot gefärbten Stoff, das unter einem umgestürzten Lastwagen hervorlugte und im Wind flatterte. Ziermünzen schimmerten an dem Abendkleid. »Wo zum Teufel hat jemand geglaubt, das tragen zu können?«
Während Curt seine Ausrüstung aufstellte, bereitete sich Finn auf die nächste Aufnahme vor. Eigentlich hatte er nicht gedacht, daß ihn noch irgend etwas überraschen konnte, nachdem er gesehen hatte, wie sich die ein Bild des Jammers bietenden ausgemergelten irakischen Soldaten erschöpft den alliierten Truppen ergeben hatten. Furcht und Erleichterung
hatte ihnen in ihren ausgezehrten Gesichtern gestanden, als sie aus ihren Schützenlöchern in der Wüste herausgekrochen waren. Finn hatte es auch nicht für möglich gehalten, daß ihn noch irgend etwas am Krieg sonderlich betroffen machen konnte, weder die in Stücke gerissenen Leichen, die abscheulichen Spuren der Aasfresser oder der Verwesungsgeruch, der unter der erbarmungslosen Sonne förmlich zu kochen schien.
Doch beim Anblick dieser im Wind flatternden rosaroten Seide, die so verführerisch im Wüstenwind raschelte, drehte sich ihm der Magen um.
In der Stadt selbst war es noch schlimmer. Bei allen lagen die Nerven bloß, die allgemeine Wut war deutlich spürbar. Die Verwüstungen wurden von einer öligen Rußschicht bedeckt, die von den riesigen Bränden stammte, welche Kuwaits Lebensnerv, das Öl, dezimierten.
Wenn der Wind in die Stadt hineinwehte, verdunkelte der Rauch den Himmel, und Mittag wurde zu Mitternacht. Die Küste war mit Minen übersät, und etliche Male am Tag erschütterten Explosionen die Stadt. Schüsse waren auch weiterhin zu hören, und es handelte sich keineswegs nur um Freudensalven, sondern auch um brutale Feuerüberfälle auf kuwaitische Soldaten aus vorüberfahrenden Autos heraus. Überlebende suchten auf dem Friedhof nach den sterblichen Überresten ihrer Angehörigen, von denen viele Folter oder Schlimmeres erlitten hatten.
Doch während dieser ganzen Beobachtungen und seiner vielen Berichte mußte Finn immer wieder an dieses mit Ziermünzen geschmückte Abendkleid denken, das im Sand steckte und sich im Wind blähte.
Wie die ganze übrige Welt verfolgte auch Deanna das Ende des Krieges am Fernsehbildschirm. Sie lauschte den Berichten über die Befreiung Kuwaits und den offiziellen Waffenstillstand, den Zahlenspielereien des Sieges. Sie hatte sich angewöhnt, vor Verlassen des CBC-Gebäudes kurz im Nachrichtenraum vorbeizuschauen, und hoffte immer, dort ein paar Informationen zu ergattern, die nicht über den Sender gingen.
Ihre alltäglichen Verantwortlichkeiten gaben ihr Halt. Wann immer sie einen Abend frei hatte, schaute sie sich die Spätnachrichten an. Danach legte sie ein Band mit ihrer Show vom Morgen ein, begutachtete in der ungestörten Ruhe ihrer Wohnung den Auftritt und suchte nach Wegen, ihre Arbeit vor der Kamera zu verbessern oder die Gesamtgestaltung ihres Programms zu straffen.
In Pullover und Jeans hatte sie es sich mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden bequem gemacht, das aufgeschlagene Notizbuch auf den Knien. Sie trug die falschen Ohrringe, stellte sie fest. Jedes Mal, wenn sie den Kopf bewegte, schwangen sie hin und her und lenkten die Zuschauer ab. Sie machte sich eine entsprechende Notiz: keine baumelnden Ohrringe.
Außerdem machte sie zu ausladende Gesten mit den Händen. Wenn sie nicht aufpaßte, würde man sie bald in der Satiresendung Saturday Night Live parodieren. Das könnte ihr tatsächlich einmal blühen, dachte sie grinsend und kritzelte weiter ihre Anmerkungen in den Block.
Berührte sie die Leute zu sehr? Auf den Lippen kauend, schaute sich Deanna ihren Auftritt auf diesen Aspekt hin an. Sie hatte tatsächlich fast immer eine Hand am Arm eines Gastes oder legte jemandem aus dem Publikum den Arm um die Schulter. Vielleicht sollte sie …
Das Klopfen an der Tür entlockte ihr einen Fluch. In ihrem Terminplan hatten unerwartete Besucher nach zehn einfach keinen Platz. Widerwillig schaltete sie den Videorecorder aus und spähte durch den Türspion nach draußen. Im nächsten Moment riß sie die Schlösser auf und zerrte an der Kette.
»Finn! Ich wußte ja gar nicht, daß du wieder da
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