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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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großartiger Zeitvertreib wäre, bei dem es uns bestimmt nicht an Zerstreuung fehlen würde. Also marschierten wir los, lugten in Buden und Zelten, blieben stehen, um eine der zahllosen Darbietungen zu bestaunen oder Polonaisen von besinnungslos Feiernden an uns vorüberziehen zu lassen.
    Überall hatten die Wahrsagerinnen ihre Zelte aufgeschlagen. Anstatt sich wie üblich auf ein bestimmtes Gebiet zu konzentrieren, standen sie überall, wo immer sie ein Plätzchen gefunden hatten. Und es waren sehr viel mehr als sonst, weil sich alle aus sämtlichen Dörfern und Städtchen im Umkreis von etlichen Meilen zum Feiertag in die Hauptstadt begeben hatten.
    Mir kam es vor, als drängte sich an jenem Tag die gesamte Bevölkerung der italischen Halbinsel in den Straßen Roms. Und es gab natürlich noch die übliche Schar von Ausländern, die aus aller Herren Länder gekommen waren, das Zentrum der Welt zu begaffen, von Syrern in langen Gewändern bis zu Galliern in karierten Hosen und Ägyptern mit kajalumrandeten Augen. Rom war eine kosmopolitische Stadt geworden. Vermutlich kann man nicht Weltmetropole sein, ohne daß ein Haufen Fremder herumhängt.
    Am frühen Nachmittag hatten wir in alle Zelte auf dem Forum Romanum geguckt und beschlossen, auf dem Forum Boarium, dem Viehmarkt, weiterzumachen. Da es dort vergleichsweise wenig Monumente, Podien und Plattformen gab, war er leichter zu erkunden, zumal die vielen kleinen Händler eine Art Zeltstadt aufgebaut hatten wie ein Lager der Legion mit einem fast ordentlichen Straßenmuster. Hier gab es weniger Wahrsagerinnen, dafür mehr Händler, die Bänder, Spielzeug, kleine Figuren, Öllampen und anderen Nippes verkauften, wie man ihn gerne verschenkt.
    Julia führte sich auf, als würde sie den Zentralmarkt von Alexandria besichtigen und stieß bei jedem neuen Stand mit billigem Plunder entzückte Schreie aus, als habe sie soeben das Goldene Vlies in einem Baum hängen sehen.
    »Julia, diese vulgäre Seite an dir kannte ich ja noch gar nicht«, sagte ich. »Sehr gut. Irgendwie macht es dich … nun ja, es macht dich irgendwie römischer.«
    »Keiner macht Komplimente so wie du«, gab sie zurück, während sie eine Figurengruppe aus Terracotta zur Hand nahm, zwei tratschende Frauen mit ihren Schoßhündchen.
    Ich betrachtete einen kleinen thrakischen Gladiator mit zum Schlag erhobenem Schwert und in lebensechten Farben bemalt. Das Schwert leuchtete bronzefarben, und sein Helm war mit einem Helmbusch aus echten Federn geschmückt.
    »Der gefällt mir«, verkündete ich.
    »Typisch, weil du nicht nur vulgär und ein Römer, sondern auch noch ein Mann bist.« Sie überreichte mir ihre Neuerwerbungen, zu denen sich bald ein halbes Dutzend weitere gesellten. Ich glaubte schon, sie hätte ihre Mission, Ascylta zu finden, aufgegeben, doch Julia verfügte über die seltene Gabe, ihre Aufmerksamkeit teilen zu können. Während sie noch zwischen einem roten und einem violetten Schal schwankte, hatte sie schon ein knallbuntes, mit Blumenmustern verziertes Zelt entdeckt.
    »Laß es uns da mal versuchen«, sagte sie und ging los, während ich mit all ihrem Plunder stehenblieb. Ich kaufte den roten Schal, um den Kram darin zu tragen, und traf sie schließlich am Eingang des Zeltes wieder. »Du bleibst draußen«, erklärte sie. »Wenn es die Frau ist, die wir suchen, möchte ich zunächst einmal mit ihr alleine sprechen. Ich rufe dich, wenn ich dich brauche.« Mit diesen Worten schob sie den Türvorhang beiseite und betrat das Zelt.
    Als sie nach einigen Minuten immer noch nicht zurück war, war ich mir sicher, daß wir unsere Frau gefunden hatten. Ich war es nicht gewohnt, auf Abruf bereit zu stehen, und zappelte, unschlüssig, was ich tun sollte, verlegen herum. Wenn ich Hermes so zurückließ, verdrückte er sich für gewöhnlich auf einen schnellen Wein in der Taverne an der Ecke, eine Unsitte, für die ich ihn regelmäßig scholt, obwohl sie mir jetzt wie eine ganz ausgezeichnete Idee vorkam. Ich sah mich gerade nach einem vielversprechenden Getränkestand um, als Julia rief, ich solle hereinkommen.
    Die Frau war weder alt noch jung. Sie trug ein Gewand aus grober Wolle, das in etwa denselben Braunton hatte wie ihr von grauen Strähnen durchzogenes Haar. Sie saß inmitten von Kräuterkörben und Salbentöpfen.
    »Guten Tag, mein Herr«, sagte sie mit schwerem oscischen Akzent, als ich eintrat.
    »Das ist Ascylta«, erklärte Julia mir, obwohl das mittlerweile überflüssig war.

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