Tödlicher Mittsommer
steht nicht auf meiner Liste. Erinnerst du dich an Georg Almhult, den Vater von Jonny Almhult? Du weißt schon, der Tischler und Maler. Er hat uns letzte Woche geholfen, den Zaun zu reparieren. Die Initialen von Jonnys Vater waren G A. Möglicherweise hat jemand das Netz seines Vaters benutzt. Georg ist ja schon lange tot.«
»Du meinst, dass Jonny etwas mit den Todesfällen zu tun haben könnte?«
Nora machte eine abwehrende Handbewegung.
»Keine Ahnung, aber wenn du die Herkunft des Netzes feststellen könntest, wäre das doch wenigstens ein Anfang. Es könnte sich lohnen, da mal genauer nachzuhaken. Meinst du nicht?«
Sie sah ihn an und lehnte sich auf dem weißen Gartenstuhl zurück, während sie gleichzeitig die Jacke enger um sich zog. Man merkte, dass es langsam Abend wurde. Die Luft war nicht mehr so warm, und vom Meer wehte eine kühle Brise.
Nora sah Jonny Almhult vor ihrem geistigen Auge.
Als sie ungefähr zwölf war, gehörte Jonny zu den coolen Typen, die sich unten im Hafen herumtrieben. Jonny hatte künstlerisches Talent und konnte im Handumdrehen eine Bleistiftzeichnung hinzaubern, die dem Modell beinahe erschreckend ähnlich war. Er hatte viele Jahre lang Aquarelle gemalt und sicher davon geträumt, sich in der Stadt ausbilden zu lassen. Es gab eine lange Künstlertradition auf Sandhamn. Bruno Liljefors und Anders Zorn hatten die Insel besucht, und Axel Sjöberg hatte hier gewohnt.
Aber Jonny kam nie herunter von der Insel. Er blieb in Sandhamn bei seinen Eltern. Im Laufe der Jahre erstarrte er in seinem Dasein. Trank zu viel, wie die meisten einsamen Junggesellen, und fand nie ein anständiges Mädchen. Als Erwachsener versuchte er sich als Tischler und Mann für alle Fälle bei den Sommergästen. Ab und zu verkaufte er ein Bild mit Schärenmotiv. Nora erinnerte sich gut an Jonnys Vater Georg, er war Sandhamns Maurer gewesen. Er hatte genauso ausgesehen wie sein Sohn: schlank, mittelgroß, keine Erscheinung, die einem im Gedächtnis blieb.
Er hatte ebenfalls gern zur Flasche gegriffen.
Als er starb, hatte seine Witwe Ellen nur noch Jonny. Da war auch noch eine ältere Tochter, aber sie hatte Sandhamn früh verlassen. Nora meinte sich zu erinnern, dass sie mit einem Amerikaner verheiratet war und im Ausland lebte.
Thomas unterbrach ihre Gedanken. Er war Jonny im Laufe der Jahre auch öfter begegnet.
»Ich kann mir Jonny kaum als Kopf hinter verbrecherischen Machenschaften vorstellen«, sagte er skeptisch.
»Aber als Handlanger für jemand anderen?«, wandte Nora ein. »Für jemanden, der Hilfe beim Umgang mit lästigen Leuten gebraucht hat? Vielleicht mussten sie ja zum Schweigen gebracht werden.«
»Meinst du nicht, du hast langsam genug Fernsehkrimis gesehen?«
»Nein, mal im Ernst«, sagte Nora. »Alle wissen, dass er einen Hang zum Alkohol hat. Vielleicht hat er auch einen Hang zu anderen Sachen. Gegen Bezahlung. Was, wenn es da irgendeine Verbindung gibt? Man könnte doch mal mit ihm reden. In seinem Fall weißt du ja immerhin, wo er wohnt.«
Thomas dachte nach. Dann sah er auf die Uhr.
»Okay, du hast gewonnen. Ich werde Jonny gleich mal einen Besuch abstatten. Wenn ich jetzt losgehe, schaffe ich es noch, bevor es zu spät wird.«
Nora bekam eine schnelle Umarmung.
»Danke für das leckere Essen. Ich ruf dich an.«
[Menü]
Kapitel 26
Als Thomas zu Jonny Almhults Haus kam, sah alles dunkel und verlassen aus. Nirgends brannte Licht.
Er beschloss, bei Ellen Almhult zu klopfen, die in einem größeren Haus gleich nebenan wohnte. Auf den Schären war es nichts Ungewöhnliches, dass man mehrere Häuser auf einem Grundstück baute, wenn die Familie sich vergrößerte.
Jonnys Mutter öffnete in einem rosa Morgenmantel aus Flanell. Sie machte ein erstauntes Gesicht, als sie ihn sah.
»Hallo, Ellen, erinnerst du dich an mich? Thomas Andreasson. Vom Polizeirevier Nacka«, fügte er als Erklärung für seinen Besuch hinzu.
Sie sah ihn wortlos an. Thomas sprach weiter.
»Entschuldige, dass ich so spät noch störe. Ich müsste kurz ein paar Worte mit Jonny reden, aber er scheint nicht zu Hause zu sein.«
Ellen wirkte immer noch erstaunt, aber nicht mehr ganz so erschrocken.
»Vielleicht ist er in der Kneipe«, sagte sie. »Oder er schläft schon. Er ist nicht so leicht wachzukriegen, mein Jonny. Soll ich mal nachsehen?«
»Das wäre nett, wo ich schon mal hier bin.«
Ellen griff nach einem Schlüssel, und dann gingen sie zu dem kleineren Haus hinüber.
Thomas sah sich um. Das
Weitere Kostenlose Bücher