Toedlicher Staub
sowieso wussten, womit er sein Geld verdiente und dass er mehrfach gesessen hatte. So war es eine reine Frage des Stils, aber er hielt eben sehr auf Form. Er war stets tadellos gekleidet, dabei immer dezent. Vor allem im Hinblick auf die Menge des Goldes: nur Uhr, Armband und Halskettchen. Nüchtern und elegant.
Ghisu befand sich in Gesellschaft einer Angestellten, die sich etwas dazuverdiente, indem sie in der Mittagspause anschaffte. Abends nie, da musste sie rasch nach Hause ins Viertel Sant’ Avendrace zu Mann und Kindern. Und ihr Mann war es auch, der ihr davon erzählt hatte, dass Sebastiano Trincas eine Art Kopfgeld auf diejenigen ausgelobt hatte, die ihm die Bar angezündet hatten. Diese Frau, sie ließ sich von ihren Kunden Rina nennen, wäre von sich aus gar nicht darauf gekommen, das demjenigen zu erzählen, der sich in der ganzen Stadt am meisten dafür interessierte.
Als sie ihn sah, wie er dasaß und durch einen Strohhalm Bananenshake aus einem hohen Glas nuckelte, hatte sie sich in der Hoffnung auf ein Stelldichein an ihn herangemacht, aber bald nicht mehr gewusst, was sie sagen sollte. Da fiel ihr diese Nachricht ein, die die Runde im Viertel machte, und sie verkaufte sie ihm mit allerlei Details.
Ghisu war dankbar und hätte ihr fast einen Hunderter aus der Rolle zugesteckt, die er stets in der Tasche bei sich trug, doch auch eine dumme Kuh wie diese Rina hätte sich gewundert, woher diese plötzliche Großzügigkeit kommen mochte. Also stellte er es diskreter an. »Komm morgen bei Geschäftsschluss an die Ecke von der Via Paoli, ich schicke einen Freund vorbei.«
»Und wie ist dieser Freund so?«
Ghisu wusste nicht recht, wie er Angelo beschreiben sollte. »Na, einer, der mächtig was hermacht.«
Das sind die schlimmsten Kunden von allen, dachte die Frau und stand auf: »Jetzt muss ich aber schnell nach Hause.«
»Ja, zisch ab«, lachte Ghisu. »Ich muss nachdenken.«
Und das war nicht einmal eine Ausrede. Die Information war wirklich wertvoll. Gar nicht wegen des Risikos, an Sebastiano verkauft zu werden, denn außer ihm, seinen Auftraggebern und Handlangern wusste niemand von ihrem kleinen Ausflug an den Strand. Und vor diesem Trincas hatte er nun wirklich keine Angst. Der tatsächliche Wert des Klatsches bestand darin, dass er dabei helfen konnte, den beiden Leuten auf die Spur zu kommen, die sie an dem Abend hatten kaltmachen wollen. Nachdem er feststellen musste, dass sie nicht verbrannt waren, war Ignazio Ghisu zu dem Schluss gekommen, dass der Einzige, der den beiden helfen konnte, der Inhaber der Bar war, falls es denn stimmte, dass sie sonst keine Bekannten in der Stadt hatten. Diesen Franchino und dessen kahlen Freund von diesem Standpunkt zu unterrichten, hatte er sich gehütet, eine gute Idee konnte ja immer mal von Nutzen sein. Und wenn er zu den richtigen Kreisen Zugang erlangen wollte, solchen, in denen man richtig reich werden kann, dann musste er beweisen, dass er mehr war als nur ein kleiner Provinzdealer. Das war eine Möglichkeit, die Schlappe wettzumachen.
Er stieg auf seinen Motorroller und fuhr durch Cagliari in das Stadtviertel, dessen unumstrittener Chef er war. Seine Männer zählten gerade in der Garage eines Mehrparteienhauses die Tageseinnahmen. Sie waren beträchtlich, und die Nacht stand erst noch bevor.
Ghisu wandte sich an Angelo: »Morgen wirst du in der Innenstadt eine Angestellte vögeln – und das ist kein Bonus«, sagte er, um möglichen Protesten seitens der anderen beiden zuvorzukommen. »Sie spielt eine Rolle bei einer Operation, die ich vorbereite.« Er hielt ihm zweihundert Euro hin. »Damit bezahlst du.«
»So viel?«, platzte Kevin heraus. »Hat die ’ne Fotze aus Gold?«
Der Chef drückte ihm den Zeigefinger auf die Brust. »Und du gehst jetzt nach Sant’Avendrace in irgendeine Bar und lässt diskret erkennen, dass du Sebastiano Trincas treffen willst und er dich in der Gegend von Giorgino findet. Dann kommst du hierher zurück.«
Der Junge grinste. »Und was mach ich, wenn er plötzlich vor mir steht? Verpass ich ihm eine?«
»Du gehst ihm besser aus dem Weg«, antwortete Ghisu. »Wenn es so weit ist, statten wir ihm alle zusammen einen Besuch ab.«
Sebastiano Trincas wunderte sich, dass offenbar niemand die Belohnung haben wollte. Cagliari ist keine Großstadt, hier weiß jeder alles über jeden, und was man nicht weiß, denkt man sich.
Allmählich fing er an zu glauben, die Brandstiftung sei das Werk auswärtiger Kräfte gewesen.
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