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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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Zimmermädchen sein Frühstück. Nachdem es das Tablett samt Wuxi Morgenpost auf dem Tisch abgestellt hatte, verließ es schweigend und auf leisen Sohlen das Zimmer. Offenbar wollte ihn die junge Frau nicht bei der Arbeit stören.
    Er schlürfte den heißen schwarzen Kaffee, der ihm, wie er hoffte, den Kopf klären würde, und sog den Duft von frischem Backwerk ein. Die Croissants und den Obstsalat würde er sich für später aufsparen und während einer Arbeitspause zu seiner zweiten Tasse Kaffee essen.
    Wie der TV-Wetteransager in dem Film strampelte Chen trotz Ferien im Laufrad einer Rolle, die mehr ihn zu spielen schien als er sie und aus der es kein Erwachen gab. Ebenso wenig konnte er aus der Rolle des hart arbeitenden Parteikaders ausbrechen, die ihm das Erholungsheim aufzwang.
    Polizeimeister Huang hatte sich seinerseits mit der Rolle des Dr. Watson beschieden und als solcher keine Mühen gescheut.
    Der jüngste Bericht des jungen Polizisten konzentrierte sich ganz auf die Schlinge, die die Innere Sicherheit um Jiangs Hals gelegt hatte und nun stetig zuzog. Man hatte mehrere lokale Unternehmer befragt, die aussagten, von Jiang wegen ihrer Umweltsünden erpresst worden zu sein.
    Chen gab jedoch nicht viel auf deren Glaubwürdigkeit. Diese Leute würden jede noch so wilde Geschichte erzählen, wenn die Innere Sicherheit sie ihnen in den Mund legte. Da Jiang eine Bedrohung für ihre fragwürdigen Geschäftspraktiken darstellte, würden sie bereitwillig kooperieren, um sich seiner auf einfache Weise zu entledigen.
    Dennoch konnte Chen das Erpressungsszenario nicht einfach verwerfen. Er hatte ja nichts anderes in der Hand und nicht einmal Einblick in die Verhörprotokolle.
    Er legte den Ordner beiseite und probierte einen neuen Denkansatz, indem er den Tathergang aus Sicht der Inneren Sicherheit auf einem Blatt Papier zu rekonstruieren versuchte.
    Dabei fiel ihm auf, dass eine ganze Reihe von Details nicht ins Bild passte. Angenommen Jiang und Liu hätten Auge in Auge verhandelt und es wäre dabei zu einem Kampf gekommen, dann hätte man am Tatort Spuren davon finden müssen. Liu hätte sich gewehrt und sich nicht einfach einen tödlichen Schlag versetzen lassen. Und dieser hätte von vorn kommen müssen und wäre nicht auf Lius Hinterkopf gelandet. Außerdem irritierte Chen das Fehlen jeglicher Fingerabdrücke. Natürlich konnte der Mörder sie weggewischt haben, doch bei einer nicht im voraus geplanten Tat war es wahrscheinlicher, dass er geflüchtet war, ohne alles abzuputzen.
    Obendrein hätte auch eine hohe Erpressungssumme Liu wohl kaum in Verlegenheit gebracht. Er hätte sie ja nicht einmal aus eigener Tasche bestreiten müssen, sondern als Beraterhonorar verbuchen können, wie die anderen das offenbar getan hatten. Und angesichts des Börsengangs hätte Liu es sich sicher zweimal überlegt, ob er eine öffentliche Konfrontation riskierte. Bei einem Gespräch unter vier Augen hätte es hingegen sehr wohl zu einem Streit kommen können. Dies hätte bei Jiang möglicherweise zu Kurzschlussreaktionen geführt, mit fatalen Folgen für beide Kontrahenten. Wie das Sprichwort sagt: Ein Fisch im Todeskampf zerreißt das Netz.
    Chen zündete sich eine Zigarette an, leerte seine Kaffeetasse in einem Zug und ging nachdenklich im Zimmer auf und ab.
    Ging man jedoch davon aus, ein anderer Mann hätte Liu an jenem Abend aufgesucht, dann passten die Einzelheiten wesentlich besser zusammen.
    Sinnend blickte er den Rauchringen nach.
    Da klopfte es kurz, und die Bedienung erschien mit der Kräutermedizin in der Thermosflasche. Sie warf einen Blick auf das fast unberührte Frühstückstablett.
    »Sind Sie nicht zufrieden?«
    »Es ist hervorragend, aber ich frühstücke lieber später.«
    »Ihre Medizin sollten Sie nach den Mahlzeiten einnehmen.«
    »Ja, danke, ich weiß.« Mit einer Geste bedeutete er ihr, die Flasche auf den Tisch zu stellen.
    Er nestelte eine weitere Zigarette aus der Packung, steckte sie dann aber zurück und trat, in Gedanken versunken, an die Glastür.
    Auf der Zedernholzveranda stand ein großer, entfalteter Regenschirm aus geöltem Papier. Er war zum Geländer hin geneigt und wirkte mit seinem roten Knopf in der Mitte wie eine riesige Brust, die im Wind leise bebte. Alles ist denkbar, aber nicht notwendig unschuldig . Er hatte gestern noch einen Abendspaziergang im Regen gemacht und den Schirm anschließend draußen stehenlassen.
    Chen setzte sich in den antiken Rotholzstuhl neben dem Fenster und legte

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