Tödliches Wasser: Roman (German Edition)
begründet?«
»Fu sagt, Liu habe das schon lange vorgehabt. Er selbst führe nur die Entscheidung seines verstorbenen Chefs aus. Und natürlich benötigt er ihre Unterstützung. Es gibt Dinge in der Firma, die vermutlich nur Liu und Mi bekannt sind.«
»Ich denke auch, dass er ihre Hilfe braucht«, sagte Chen und fügte beiläufig hinzu: »Übrigens hat Fu eine Freundin in Shanghai.«
»Wie hast du das …« Sie beendete den Satz nicht, sondern sagte stattdessen: »Davon wusste ich nichts. Offenbar hat er mit keinem in der Firma darüber gesprochen. Aber warum die Geheimnistuerei?«
Es konnte also doch auch ein leichtes Mädchen gewesen sein, das Fu auf der Straße vor dem zwielichtigen Hotel aufgelesen hatte, überlegte Chen. Aber Yus Beschreibung sprach dagegen.
»Wie kannst du dir da so sicher sein, Shanshan?«
»Fu selbst hat mir erzählt, dass er keine Freundin hat. Er hat sich vor nicht allzu langer Zeit auch mal für mich interessiert, natürlich bevor ich in Schwierigkeiten geriet.«
»Es verwundert mich nicht, dass er dir den Hof gemacht hat. Schon im Buch der Lieder heißt es ja: Ein Mann kann nicht anders, als einem schönen Mädchen zu folgen. «
»Na, na, Chen, das wäre nicht nötig gewesen«, bemerkte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Zu Fus Ehrenrettung sei gesagt, dass er nicht aufdringlich geworden ist. Aber ich schweife ab. Wir waren noch nicht fertig mit Mi.«
»Nein, und das war meine Schuld. Erzähl bitte weiter, Shanshan.«
»Selbst wenn sie an jenem Abend tatsächlich länger gearbeitet hat, was ich bezweifle, dann hat sie in einem anderen Punkt gelogen.«
»Und der wäre?«
»Du hast mir erzählt, dass sie angab, am 7. März Zeugin einer Auseinandersetzung zwischen Jiang und Liu in dessen Büro gewesen zu sein. Sie wusste noch, dass es der Tag vor dem Frauentag war, korrekt?«
»Ja, das stimmt.«
»Aber es ist nicht wahr«, erwiderte sie. »Ich habe es in meinem Firmenkalender überprüft. Dort steht, dass Liu an dem Tag in Nanjing war. Er ist erst spätabends zurückgekommen.«
»Das ist eine entscheidende Information. Moment mal – soviel ich weiß, hat Fu aber ihre Aussage bestätigt.« Er stand auf, nahm das Material von Polizeimeister Huang zur Hand und blätterte darin. »Augenblick, hier haben wir es. Aber Fu hat bei seiner Aussage kein Datum genannt, er sprach nur generell von Anfang März. Er hat Jiang in Lius Büro gesehen, ohne ihn zu kennen. Erst später hat er von Mi erfahren, wer das war.«
Chen bemerkte, wie Shanshan die Kladde mit dem Aufdruck »vertraulich« interessiert musterte. Statt sich wieder zu setzen, blieb er mit den Unterlagen in der Hand stehen. Die Tatsache, dass sie sich in seinem Besitz befanden, würde ihr Misstrauen noch verstärken. Diese Kladde konnte Informationen enthalten, die nicht für sie bestimmt waren.
»Ich kann mir nicht erklären, warum Mi eine solche Aussage gegen Jiang gemacht hat. Aber mit deinen Verbindungen dürfte es ein Leichtes sein, das herauszufinden.«
»Ja, ich werde Polizeimeister Huang um Unterstützung bitten«, antwortete er, noch immer stehend. »Wir können das mit Lius persönlichem Kalender abgleichen. Falls nötig, kann ich auch in Nanjing nachfragen. Wir werden nichts unversucht lassen.«
Jetzt erhob auch sie sich. Der Ausdruck in ihrem vom Mondlicht sanft beschienenen Gesicht war ernst.
»Chen, ich bin auch deshalb gekommen, weil ich einen Gefallen von dir erbitten muss.«
»Alles, was in meiner Macht steht, Shanshan.«
»Ich habe Material über die industrielle Verschmutzung in dieser Gegend zusammengetragen.« Sie zog einen prall gefüllten Ordner aus ihrer Umhängetasche. »Das sind Daten aus erster Hand, die bislang nicht einmal im sogenannten internen Newsletter veröffentlicht wurden.«
»Ja?«
»Die Innere Sicherheit kann jederzeit mein Zimmer durchsuchen, daher würde ich den Ordner lieber bei dir lassen. Solltest du die Möglichkeit haben, das Material zu veröffentlichen, dann tu es bitte. Nicht für mich, sondern für die Menschen, die unter der Verschmutzung zu leiden haben.«
»Aber dir wird doch nichts passieren, Shanshan.«
»Es könnte heikel werden, selbst für jemanden wie dich. Trotzdem bitte ich dich darum.«
»Ich werde alles tun, um diese Zahlen an die Öffentlichkeit zu bringen, das verspreche ich.«
»Du bist der Einzige, dem ich noch vertraue«, sagte sie und sah ihm in die Augen.
»Ich gebe dir mein Wort«, beteuerte er und nahm den Ordner entgegen.
Dann ergriff er
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