Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
in die Kälte bewegen und tun, wofür er bezahlt wird, weil er dann gleich wieder los ist.«
»Die haben die ganze Zeit miteinander geredet, nicht auf einen Videomonitor geschaut oder so?«
»Nein, sie haben bloß geredet. Wieso, glaubst du, die haben ein Foto von dir geschossen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab mich nur gefragt, ob in der Lobby von Midoris Haus vielleicht eine Kamera versteckt ist. Aber selbst wenn, selbst wenn sie an die Aufnahmen rankönnen, glaub ich nicht, dass Wong deshalb hergekommen ist. Als er mir über den Weg lief, hab ich ihm jedenfalls angesehen, dass er nicht darauf gefasst war.«
»Nette Untertreibung. Hör mal, als ich gesehen hab, wo er hinwill, hab ich versucht, dich anzurufen, aber ich bin nicht durchgekommen.«
»Ich hab das Handy ausgemacht.«
»Na, wenn mal einer eine Liste mit den cleversten Ideen der Menschheit zusammenstellt, kommt das wohl leider kaum in die engere Auswahl.«
Ich reagierte nicht. Ich hatte den Sarkasmus verdient, und Schlimmeres. Was zum Teufel war bloß in mich gefahren? Solche Dummheiten passierten mir doch sonst nicht. Nie.
Vielleicht hatte ich mich einfach so verhalten, wie Midori gern wollte, dass ich mich verhielt. Wie ein Zivilist. Vielleicht wollte ich ihr beweisen, uns beiden beweisen, dass ich das konnte.
Der Versuch hatte gerade mal dreißig Sekunden gedauert. Und nicht zu fassen, was in der kurzen Zeit passiert war.
»Tut mir leid«, sagte ich.
»Schon gut. So eine Situation wie die, in der du steckst, würde jeden aus dem Gleichgewicht bringen. Ach ja, was ich vorhin sagen wollte: Wieso eigentlich die ganze Mühe und das Risiko, ihn in den Container zu bugsieren und dann wieder rauszuholen? Ich hätte ihn einfach daneben auf die Erde gelegt, mit seiner Jacke zugedeckt und drauf gepinkelt, dann würde er aussehen und riechen wie ein weggetretener Betrunkener.«
Ich blieb stehen und sah ihn an. Wieso zum Teufel war mir das nicht eingefallen?
»Du hast recht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Dir geht im Moment einfach zu viel durch den Kopf, das ist alles.«
»Und wenn wir dein Auto nehmen, wen interessiert’s da schon, dass er nach Urin stinkt?«
Dox zog die Stirn kraus. »Na ja, wenn ich’s mir recht überlege, so schlecht war die Idee mit dem Container doch nicht.«
Wir fanden einen Diner, der noch aufhatte, und gingen hinein. Wir nahmen in einigem Abstand von anderen Gästen Platz und bestellten Kaffee. Ich war noch immer viel zu aufgekratzt, um irgendwas zu essen.
»Zeig mal das Messer, das er bei sich hatte«, sagte Dox.
Ich holte das Balisong hervor und schob es unter einer Serviette zu ihm rüber.
»Menschenskind, das ist ein Cold Steel Arc Angel mit Doppelschneide. Der Junge kannte sich aus. Willst du es behalten?«
Wir hatten das Thema schon einmal in Bangkok, nicht gerade mit befriedigendem Ergebnis. Dox war Trophäensammler und ich nicht.
»Ich wollte es eigentlich loswerden«, sagte ich.
Er zog ein übertrieben trauriges Gesicht. »Das wäre ein Jammer.«
Ich verdrehte die Augen und streckte die offene Hand aus, eine Geste, die »bedien dich« besagte. Dox schenkte mir sein unwiderstehliches Grinsen, rieb das Messer mit der Serviette ab und steckte es ein.
»Vergiss nicht, es gründlich zu reinigen«, sagte ich. »Alkohol, dann Bleichmittel.«
»Jaja«, sagte er. »Obwohl ich finde, dein Mr. Vorsicht-Image müsste nach dem Ausflug heute Abend auch mal ein bisschen aufpoliert werden.«
Ich ging nicht darauf ein. Ich sah auf meine Uhr. Es war kurz nach drei. In knapp drei Stunden würde die Sonne aufgehen.
Ich sah ein, dass ich mit dem Verschwindenlassen von Wongs Leiche nicht viel Zeit gewinnen würde. Sein Boss, Chan, wusste vermutlich, wo er heute Abend hinwollte. Dox hatte gesehen, wie sie miteinander geredet hatten, ehe Wong sich auf den Weg zu Midoris Adresse machte. Daher würde Chan annehmen, dass Wong etwas passiert war, während er das Haus beobachtete. Ort und Timing würden auf mich hindeuten. Chan würde Yamaoto von seinem Verdacht berichten. Ich glaubte nicht, dass Yamaoto Midori und das Baby direkt angreifen würde, aber er würde wahrscheinlich irgendwie den Druck auf sie erhöhen, um mich aus der Reserve zu locken. Und falls Midori irgendeinen Anhaltspunkt dafür hätte, dass Yamaoto und Co. durch mein plötzliches Auftauchen wieder auf sie aufmerksam geworden waren, dann könnte ich jede Hoffnung, je mit ihr und Koichiro zusammen zu sein, auf der Stelle in den
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