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Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Titel: Tokio Total - Mein Leben als Langnase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finn Mayer-Kuckuk
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Morgenstunden. In den Touristenvierteln passiert das auch ahnungslosen Kunden, die in eine der normalen Hostessen-Bars hineingestolpert sind,
wo hübsche Frauen die Männer zum Trinken anregen. Beim Hinausgehen wundern sie sich dann über die Rechnung. Neulich berichtete Yamahira-san über einen Fall, bei dem ein mittlerer Angestellter 7000 Euro für vier Stunden in so einem Etablissement zahlen sollte. Die Mafia drohte: Wenn er nicht blechte, werde seine Frau die Fotos zu sehen kriegen.

    Yamahira-san traf ich auch sonst bei Recherchen zum seltsamen Japan. Ein Verkaufsrenner waren zwischenzeitlich Büstenhalter für Männer. »Das sitzt total toll«, erklärte der Chef der Firma »Wishroom« den Journalisten bei einer Präsentation. Der Mittvierziger war mit nacktem Oberkörper aufgetreten und trug einen schwarzen, eher billig aussehenden Streifen um den Oberkörper. »Das Problem mit herkömmlichen Büstenhaltern ist, dass sie vorne viel zu voluminös geschnitten sind für die durchschnittliche Männerbrust.«
    Ach!
    »Wir haben das Problem gelöst, indem wir von einer weitgehend flachen Form ausgehen«, erläuterte der Firmenchef. »Es fühlt sich jetzt einfach toll an und fällt auch unter einem Businesshemd gar nicht auf.«
    Ich stellte mir die braven Mitarbeiter von Banken und Handelshäusern vor, die unter schwarzem Jackett und weißem Hemd einen cremefarbenen BH trugen. Was passierte wohl, wenn mal ein Notfall eintrat - Herzanfall, Hitzewallung - und sie das Hemd öffnen mussten?
    Men’s Bras, japanisch »Menzubura«, standen im Januar 2009 in der Kategorie »Herrenunterwäsche« des Internethändlers Rakuten auf Platz eins der Verkaufsliste.

    »Richten sich diese Produkte an Homosexuelle als Zielgruppe?«, fragte Herr Yamahira.
    »Wir würden uns nicht wundern, wenn auch zahlreiche Homosexuelle zu unseren Kunden gehören«, erklärte der Firmenchef. »Aber wir sind uns ganz sicher, dass auch viele heterosexuelle Männer Spaß an den BHs haben.«
    Die Einstiegsmodelle kosteten nur etwa 15 Euro. Der Kunststoff, aus dem sie bestanden, sah nicht wirklich tragefreundlich aus. Nur der Kollege von der Nachrichtenagentur Reuters folgte dem freundlichen Angebot von Wishroom, das Ding vor allen anderen anzuprobieren. »Willst du das wirklich machen?«, raunte sein Kameramann ihm noch zu. »Ein echter Reporter schreckt vor keinem Abenteuer zurück«, flüsterte dieser zurück. Er hielt sich sehr aufrecht, während er sein Hemd aufknöpfte. Ein Held der Massenmedien, der für die Zuschauer sicherlich auch in den Gaza-Streifen oder den Irak gehen würde.
    Seine weiblichen Kollegen hätten kurz darauf zeigen können, dass sie ähnlich mutig sind. Ich sah eine Anzeige für den beheizten Büstenhalter, diesmal für Damen. Leider hatte ich die Präsentation verpasst. Das Kleidungsstück sollte aber auf jeden Fall dem Kampf gegen die globale Erwärmung dienen. Denn, so die Erklärung, wer warme Brüste hat, muss nicht so viel heizen.

    In einer ganz anderen Szene tragen die Fetischisten die Uniformen verschiedener Berufsgruppen: die Trachten von Krankenschwestern, Stewardessen, Kellnerinnen, nichts ist vor ihnen sicher. Der Kurzbegriff dafür lautet Cosplay, für »Costume Play«. Im Rotlichtviertel Kabukicho sind viele der
Bordelle auf einen bestimmten Fetisch ausgerichtet. An - fang 2010 öffnete das »Himmelreich« und warb mit Fotos von Mädchen in Engelskostümen mit weiten Flügeln und viel, viel Puder - Slogan: »Unsere Himmelsbotinnen bringen Sie ins Paradies«. Die Klassiker sind aber sicher die Etablissements mit Medizinthema, etwa das »Diagnose-Pub« (»Unsere heißen Schwestern messen Ihr Fieber erst von vorne, dann von hinten!«) und die Mädchenschule (»Kopien der Uniformen von über hundert Bildungseinrichtungen aus dem ganzen Land vorrätig!«). In einem anderen Laden können sich Angestellte nach der Arbeit in einem nachgebauten U-Bahn-Wagen von Girls ohne Schlüpfer belästigen lassen.
    Einige Fetischisten machen durch Beschaffungskriminalität auf sich aufmerksam. Meine Quellen für die Geschichten sind denkbar glaubwürdig: die Magazine von Herrn Yamahira und seinen Kollegen sowie Boulevardsendungen, die im Fernsehen nach zehn Uhr abends kommen. Neulich recherchierte Yamahira-san Details zum Fall des Uni-Professors Kazuhide Uekusa, der immer wieder auf Rolltreppen sein Handy unter den Rock von Schülerinnen hielt und anstößige Fotos machte. Der einstmals distinguierte Hochschullehrer musste dafür in

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