Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
Mittag.«
Stone sah auf die Uhr und stand auf. »Ich bin zum Lunch verabredet. Ich denke, es ist besser, wir trennen uns eine Stunde.«
Mackillop schien enttäuscht zu sein. »Gut, dann …«
»Wenn wir im Anschluss Finchley machen, können Sie mich in Willesden rauslassen, und wir treffen uns dort.«
»Kein Problem.« Er folgte Stone zur Tür. Lewisham, die nächste Adresse auf ihrer Liste, wäre näher gewesen, aber Mackillop wollte nicht streiten. Und schon gar nicht, als er begriff, wie Stone seine Mittagspause zu verbringen gedachte.
Sie holten sich was zu trinken am Kiosk und eine Zeitung und gingen zu einem Parkautomaten hinter einer Budgens- Filiale. »Scheiß-Neuseeland«, sagte Stone.
Er hängte seine Jacke in den Fond des Wagens und schaltete Capital Gold ein, während Mackillop auf eine Gelegenheit wartete, sich in den Verkehr einzufädeln. »Sie verbringen die Pause dann wohl in einem Café, oder?«, sagte Stone.
»Vielleicht kauf ich mir auch nur irgendwo ein Sandwich«, sagte Mackillop.
»Wie auch immer. Wir treffen uns dann vor dem Haus in Finchley. So um zwei Uhr rum. Vielleicht ein paar Minuten später.«
»Wie wollen Sie denn von Willesden dahin kommen?«
»Ich nehm mir ein Taxi«, sagte Stone.
»Über die North Circular rauf, nehm ich an. Wahrscheinlich eine Tortur um die Zeit.«
Sie fuhren die London Road entlang, durch Brentford und bogen dann am Gunnersby Park ab Richtung Norden.
Stone sang bei einem Song von Eric Clapton mit. Dabei presste er Finger und Daumen zusammen, als halte er ein Plektrum und spiele das Solo zwischen zwei Strophen. »Wenn Sie vor mir dort sind, dann parken Sie einfach und warten auf mich«, sagte Stone. »Ich ruf Sie an, dann find ich Sie schon.«
Mackillop bemühte sich, Fassung zu bewahren. »Wär es nicht einfacher, wenn ich zu Ihrer Verabredung mitkäme?«
»Das können Sie sich abschminken«, sagte Stone. »Andererseits – sie wär wahrscheinlich ganz wild drauf.«
Einunddreißigstes Kapitel
Thorne ließ zwei U-Bahn-Tickets springen und fuhr mit Spike die sechs Haltestellen bis Camden Town. Den Großteil der Strecke schlief Spike, während Thorne von einer jungen Mutter nicht aus den Augen gelassen wurde, die ständig ihre zwei Kinder anzischte, damit sie sich nicht von ihrer Seite wagten. Als er und Spike ausstiegen, lächelte sie ihm zwar zu, doch Thorne entging nicht, wie sie ihre Kinder noch stärker an sich drückte.
Spike trödelte herum, als sie die Camden Road entlang zum Bahnhof liefen, um den Zug zu wechseln. Er ließ sich von allem und jedem ablenken, blieb vor jedem Schaufenster stehen oder sprach Passanten an, von denen die wenigsten begeistert schienen, sich von einem Junkie und einem Penner ein Gespräch aufdrängen zu lassen. Was London anging, war Camden ein ganz besonderer Fall.
Trotz Thornes Anstrengungen, ihn mit sich zu ziehen, blieb Spike bei jemandem sitzen, den er tatsächlich kannte und der sich vor einen riesigen Sainsbury’s gepflanzt hatte, um zu betteln. Thorne ließ die beiden und musterte sein Spiegelbild in der automatischen Glastür. Seine Haare und sein Bart wuchsen garantiert schneller als normal. Er fragte sich, ob das mit dem Aufenthalt im Freien in der mehr oder weniger frischen Luft zu tun hatte. Die Blutergüsse waren zwar zurückgegangen, aber sein übriges Gesicht war ebenfalls blasser geworden, und es sah mager aus. Es waren noch blaue Flecken zu sehen, wie alte Teeflecken, die einfach nicht aus der hellen Baumwolltischdecke verschwinden wollten. Er rückte zur Seite, bis er genau in der Türmitte stand und sich darüber amüsieren konnte, wie er jedes Mal auseinander gerissen wurde, sobald jemand heraus- oder hereinkam.
Ein Sicherheitsbeauftragter ließ ihn nicht aus den Augen, und Thorne beschloss, ihm die Mühe zu ersparen. Er ging und zerrte Spike am Jackenkragen auf die Beine. Spikes Freund machte Anstalten, sich aufzurappeln, setzte sich jedoch wieder, als er Thornes Blick auffing.
Thorne legte Spike den Arm um die schmalen Schultern. »Zeit, zu gehen und Caroline zu besuchen«, sagte er.
Sie entfernten sich weiter von der High Street und dem Marktplatz und waren nur noch ein paar Minuten von Thornes Wohnung in Kentish Town entfernt. Auf halber Strecke zwischen den Villen am Camden Square und den bescheideneren Unterkünften im Gefängnis von Halloway blieben sie stehen. Spike schüttelte den Kopf, als würden ihm gleich die Zähne gezogen, und deutete auf einen hässlichen dreistöckigen Bau,
Weitere Kostenlose Bücher