Topchter der Köingin Tess 1
ihre Zügel und hielt sie ebenso fest wie die seinen.
»Ich nehme mir deinen Sattel, bis du deine Schulden beglichen hast.«
Ruß zuckte mit den Ohren, als sich der Sattelgurt löste. »Wie bitte?«, rief ich aus. »Ich habe dir nicht …«
Er wandte sich um, und seine Haltung wurde aggressiv. »Du hast gesagt, wenn ich dir helfe, das Tor zu passieren, würdest du mir alles geben außer dem Pferd. Nicht zu fassen, dass du so dumm warst, ein Pferd zu stehlen! Oder ist es deine Gewohnheit, deine weiblichen Reize zu benutzen, um ungeschoren davonzukommen? Gott, wie ich das hasse. Ihr Frauen bekommt doch alles umsonst.«
»Widerlicher Kaulköder!«, schrie ich. »Ich habe noch nie im Leben etwas gestohlen! Ich habe für sie bezahlt!«
»Aber selbstverständlich.« Er löste den Knoten, mit dem das Reitkissen auf seinem Pferd befestigt war, und reichte es mir – nicht viel mehr als eine Decke. Verblüfft hielt ich es in der Hand. »Du kannst mein Reitkissen haben«, erklärte er großzügig und legte seinem Pferd Ruß’ Sattel auf.
Ich war fassungslos, doch da meine einzige andere Möglichkeit darin bestand, ihn feige mit einem Pfeil niederzustrecken und davonzulaufen, ließ ich ihn die Decke aus meinen schlaffen Fingern ziehen und sie auf Ruß festbinden. Er tätschelte beruhigend sein Pferd und saß dann mit einem Sprung auf, wozu er nicht einmal den Steigbügel brauchte. Ich ließ die Zügel des Wallachs fallen, und Duncan beugte sich vor, um sie aufzunehmen.
»Wohin?«, fragte er und sah sehr selbstzufrieden aus, so hoch oben auf meinem Sattel. »In dieser Richtung liegt nur Saltolz, und ein Fischer, der bereit ist, sein Geld beim Kartenspiel zu riskieren, ist etwa so leicht zu finden wie eine Jungfrau im Bordell.« Er zögerte, und sein Gesicht verschwamm im Schatten. »Aber da sind noch die Seeleute. Die haben nicht viel Geld, gehen aber recht sorglos damit um. Das wäre vielleicht ein guter Anfang. So können wir genauer feststellen, wie wir am besten vorgehen, ehe wir uns an die größeren Ortschaften machen.« Er zögerte erneut und blickte auf mich herab. »Willst du den ganzen Weg zu Fuß gehen?«
Ich führte Ruß zu einem umgestürzten Baumstamm und kletterte mühsam auf ihren Rücken. Duncans Augen weiteten sich, als er sah, wie ich mich breitbeinig, die Füße zu beiden Seiten herabhängend, auf das Pferd setzte. Er öffnete den Mund und wandte dann den Blick ab, als ich errötete und meine Beine hastig mit dem Umhang bedeckte. Ich rümpfte die Nase und bemühte mich, so hochmütig zu klingen wie nur möglich. »Behalte den Sattel. Ich werde nicht mit dir zusammenarbeiten«, sagte ich und setzte Ruß in Bewegung.
»Nicht doch, meine hübsche Diebin«, sagte er und holte zu mir auf. »Du schuldest mir etwas. Und ich will wissen, wie du bemerkt hast, dass ich Karten eingesteckt habe. Wenn du mich dabei ertappt hast, könnte jemand anders das auch.«
»Ich bin keine Diebin«, entgegnete ich und überlegte, ob ich den Versuch wagen sollte, ihm im Dunkeln davonzureiten. Ich war noch nie ohne Sattel geritten. Die Bewegung der Muskeln unter mir war seltsam, aber nicht unangenehm.
Duncans Worte trafen mich, weil sie mich daran erinnerten, wer ich wirklich war. Nur wenige Stunden nachdem ich meine Krone eingebüßt hatte, war meine wahre Herkunft zu Tage getreten – erschreckend leicht war ich zu einer Diebin geworden. Die Prinzessin hatte mir alles genommen. Dank ihr war ich gar nichts mehr.
Ich spürte warme Tränen in den Augen und hielt den Atem an, um sie zurückzudrängen. Ich musste Kavenlow finden. Er war alles, was mir geblieben war. Und er musste wissen, wer ich war.
11
Ich rieb mir im Takt von Ruß’ Schritten den Nacken und beobachtete die Vögel, die allmählich zu ihren Schlafplätzen flatterten. Eine Decke aus Nadeln und altem Laub dämpfte die Schritte der Pferde. So weit im Hinterland war der Pfad ein schmales Band, aber deutlich zu erkennen. Er wand sich um Felsbrocken und verlief an tief eingeschnittenen Bachläufen entlang, bis er eine geeignete Stelle fand, um sie zu überqueren.
Wir waren heute nur an wenigen Leuten vorbeigekommen, alle zu Fuß und mit ihren Habseligkeiten beladen. Sie waren verängstigt gewesen und hatten nicht mit uns sprechen wollen. Anscheinend waren wir aufgrund meines erbarmungslosen Tempos dem großen Andrang nun voraus, denn seit dem Mittag hatten wir niemanden mehr gesehen. Duncan hatte sich nicht beklagt, als wir gestern bis spät in die
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