Totenmal

Lüthje gewesen, der von diesem zweifelhaften Privileg schon Gebrauch gemacht hatte. Lüthje nickte Malbek zu, so als ob er seine Gedanken gelesen hätte.
    Malbek las mit gesenkter Stimme vor.
    Â»Purzelpatsch, wir liegen da, patschelpurz im Grase, wer die längste Nase hat, der fällt auch auf die Nase …« Daneben stand die Zahl Acht.
    Â»War doch richtig, dass ich dich aus dem Tiefschlaf geweckt habe, oder?«, fragte Lüthje.
    Â»Trotzdem bin ich dir nicht wirklich dankbar dafür, wenn du verstehst, was ich meine. Aber ich gebe zu, es sieht nicht so aus, als ob ein Trittbrettfahrer hier was versucht hat«, antwortete Malbek, ohne den Blick von dem Zettel zu wenden. In der Mitte, genau zwischen den Zeilen, war ein Loch. »Also wieder ein Nagel durch die rechte Hand in den Fußboden und auf dem Nagel der Zettel?«
    Lüthje nickte.
    Ein Blitz erhellte die Nacht. Für einen Gewitterblitz zu schwach.
    Â»Es kam vom Wikingturm«, sagte Malbek. »Ein Profiblitz.«
    Â»Das gibt eine schöne Luftaufnahme. Vielleicht können wir das gebrauchen«, antwortete Lüthje.
    Â»Ich bin denn mal wieder bei der Arbeit, meine Herren«, sagte Prebling. Er hangelte sich den Niedergang hinunter, balancierte mit dem dramatischen Spagat eines Balletttänzers über den Kopf der Leiche und verschwand in dem von Halogen-Stablampen weiß erleuchteten Inneren der Kajüte, als sei es der Vorhof zur Hölle.
    Â»Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte Malbek.
    Â»Ein Liebespaar«, sagte Lüthje. »Sie haben um ungefähr ein Uhr 110 angerufen. Ich hab die beiden noch ein paar Minuten befragen können. Bis sie vom Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren wurden. Die Frau ist zusammengeklappt. Als wir eintrafen, hat der Mann angegeben, dass sie ein ungestörtes Plätzchen gesucht hatten. Musste wohl sehr schnell gehen, oder sie hatten keine Wohnung. Als sie den Steg entlanggingen, seien sie an dem Boot vorbeigekommen. Und hätten in die offene Kajüte sehen können. Die Innenbeleuchtung war nämlich eingeschaltet. Wir haben es gesehen. Genau die richtige Illumination, um die Leiche in der Nacht zu präsentieren. Wenn man sich auf dem Bootssteg bückte, konnte man sogar den Nagel in der Hand sehen.«
    Lüthje trat zwei Schritte zurück und zog Malbek am Ärmel mit sich.
    Â»Siehst du es?«, fragte Lüthje.
    Â»Ja.« Malbek fühlte sich von dem Anblick wieder magisch angezogen, wie auf dem Eckernförder Campingplatz bei dem ersten Blick auf die Hand des Opfers.
    Â»Du hast noch nichts gefrühstückt?«, fragte Lüthje, dem der gequälte Gesichtsausdruck Malbeks auffiel.
    Â»Hab ich aus irgendeinem Grund vergessen«, antwortete Malbek und wandte sich den Leuten von der Spurensicherung zu, die jeden Quadratzentimeter des hell erleuchteten Bootsstegs und des Parkplatzes davor absuchten. »Habt ihr schon den Wagen des Toten auf dem Parkplatz finden können?«
    Â»So weit sind wir noch nicht«, sagte Lüthje. »Aber Blumfuchs und Husvogt sind schon dran.« Er deutete auf einen Kleinbus, der üblicherweise als Einsatzleitung diente und in dem Befragungen und Vernehmungen vor Ort durchgeführt wurden. Malbek erkannte die beiden im trüben Licht der Innenraumbeleuchtung. Sie schienen Notebooks vor sich auf dem Tisch zu haben.
    Â»Die beiden sind übrigens nicht verheiratet, aber anderweitig liiert, wie sie sagten, und haben Angst, dass die Presse sich auf sie stürzt.«
    Â»Das wird mit Sicherheit passieren«, sagte Malbek.
    Â»Was fällt dir spontan zu diesem Kinderreim ein?«, fragte Lüthje. »Die Zahl lass erst mal bei deinen Überlegungen außen vor.«
    Malbeks Blick wanderte an den Fenstern des Wikingturms hoch. »Die Gaffer können zwar nicht mehr auf den Kajüteneingang sehen, aber vielleicht im richtigen Moment mit einem Fernglas oder Teleobjektiv einen Blick auf den Zettel erhaschen. Es wird sich schnell herumsprechen.« Hinter den dunklen Fenstern vieler Apartments sah man bewegungslose Gestalten, die auf die Szenerie unter ihnen starrten.
    Â»Wie Todesengel«, murmelte Lüthje.
    Â»Wir werden sie alle befragen müssen«, sagte Lüthje und sah auch am Wikingturm hoch. »Von dort hat man einen hervorragenden Überblick über den Seglerhafen. Angenommen, jemand hätte gestern Abend zur Tatzeit …«
    Â»War Dr. Brotmann schon da?«,