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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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aus dem Inneren der Wolke.
    Â»Was denn?«, stieß er überrascht von der obersten Sitzbank aus.
    Â»Dass du jedes Mal sagst, du bekämst einen Stromschlag, wenn ich dir das Telefon in die Sauna reiche.«
    Er nickte und nahm das Handy. »Ja«, sagte er mit scharfer Stimme ins Handygeknister.
    Â»J.-O., alter Knabe. Wie ist die Lage? Alles bestens?«
    War er auf der Saunabank eingeschlafen und wurde jetzt in den letzten Stadien des Austrocknens von grässlichen Albträumen heimgesucht? Wusste man denn, dass man sich in einem Albtraum befand? Und war es dann überhaupt ein Albtraum?
    Diese philosophischen Überlegungen wurden vom nächsten Satz seines Gesprächspartners unterbrochen: »Vorfall auf Östermalm. Interessiert? Bitte um schnellen Bescheid. Lage akut.«
    So akut, dass man im Telegrammstil sprechen musste? dachte Jan-Olov Hultin und goss geistesabwesend mehr Wasser über das mit Holz beheizte Saunaaggregat, was einen Schwall von verdampftem Niederschlag auf dem Handy zur Folge hatte. »Ein wenig mehr Informationen bitte«, gab er zurück und hielt das Handy ein Stück weit vom Ohr weg. Lieber zehn Schläge in die Hand als einen ins Herz.
    Alte Dschungelweisheit.
    Â»Die Geiselnahme am Karlavägen. Wir sammeln Spitzenleute und möchten dich in der Einsatzleitung dabeihaben. Du bekommst ein Beraterhonorar.«
    Â»Einsatzleitung«, dachte Hultin. Mit diesem Mann. Waldemar Mörner. Dem Abteilungsleiter mit dem blonden Toupet, dem formellen Chef der A-Gruppe. Mit diesem Mann, den Hultin stets als Wolke zwischen sich und der Sonne empfunden hatte. »Wer ist noch dabei?«, fragte er.
    Â»Die A-Gruppe ist hinzugezogen worden«, sagte Mörner. »Holm sitzt neben mir. Sie hat dich vorgeschlagen.«
    Â»Und die Einsatzleitung?«, wiederholte Hultin geduldig.
    Â»Der Reichskrimchef, ich, der Chef von der NE, die Polizeipräsidentin des Läns, Holm und du.«
    Hultin überlegte. Der Chef der Nationalen Einsatztruppe konnte anstrengend sein, hatte jedoch nach den Problemen bei den Krawallen in Göteborg vor ein paar Jahren sein auf Handlungskraft getrimmtes Profil ein bisschen zurückgefahren. Der Reichskrimchef war ein echter Profi. Stockholms Polizeipräsidentin war ungreifbar, nur ein Schatten. Mörner selbst ging es in aller Regel hauptsächlich darum, dass sein Name zu denen zählte, die von der Presse wahrgenommen wurden – seine beste Eigenschaft war, dass er sich selten in polizeiliche Entscheidungeneinmischte –, und Kerstin Holm war ganz einfach die Beste. Es klang ganz okay.
    Und außerdem hatte es ihm tatsächlich – was er nie zugeben würde – ein bisschen gefehlt.
    Also die Arbeit.
    Die Polizei.
    Die A-Gruppe.
    Sogar die Verbrecher.
    Aber Waldemar Mörner vielleicht doch nicht …
    Â»Beraterhonorar?« sagte er.
    Â»Schick einfach später eine Rechnung«, sagte Mörner. »Du wirst Berater für einen Tag.«
    Â»Wenn es in einem Tag vorbei ist …«
    Er drängelte sich durch den winterglatten Kreisverkehr am Roslagstull und schoss mit seinem alten Volvo in die noch glattere Birger Jarlsgatan. Der Verkehr ließ etwas nach, und er gab Gas. Er liebte die nassweißen Schneekaskaden im Rückspiegel. Es war lange her, dass er sich erlauben konnte, zu schnell zu fahren.
    Ich habe tatsächlich nicht die leiseste Ahnung, wie man eine Rechnung schreibt, dachte Jan-Olov Hultin. Er kam flott voran durch das Einbahnstraßenlabyrinth von Östermalm – hauptsächlich deshalb, weil er die Einbahnstraßen einfach ignorierte. Er parkte den Wagen einen Block weit weg (falls es krachen sollte, bliebe wenigstens das Auto übrig) und spurtete zu dem Gebäude, in dem sich die Einsatzleitungbefinden musste. Am Karlavägen begann die Absperrung. Uniformierte Polizisten spannten blau-weiße Plastikbänder kreuz und quer durch die angrenzenden Viertel. Mannschaftswagen waren in Pulks vorgefahren und standen quer über die Fahrbahn, um den Verkehr auf Karlavägen zu stoppen. Alle Polizisten trugen kugelsichere Westen.
    Es war ein schöner, aber ziemlich matschiger Vorfrühlingstag. Hultin schlitterte zur Absperrung und warf einen Blick über die Straße zu dem kleinen Bankgebäude auf der anderen Seite der Esplanade. Die Allee zwischen den beiden Fahrbahnen des Karlavägen öffnete sich dort, sodass die kahlen

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