Totenmesse
Elfenbein natürlich aufheben sollen. Aber man macht Fehler im Leben.«
»Wie wahr«, sagte Chavez und warf einen Blick ins Badezimmer.
Es war ein groÃzügiger Nassbereich von der Art, die wahrscheinlich um 1942 den fortgeschrittensten Stand der Einrichtungsmode darstellte. Die Badewanne war so gelb gefärbt, dass die Farbe in Antiquitätenhändlerkreisen sicher einen eigenen Namen hatte. Wahrscheinlich nicht morgenuringelb, wenngleich dies Chavez sehr treffend vorgekommen wäre.
Hinter der Badewanne war ein Dutzend Kacheln von der Wand gefallen, und in einer Vertiefung von fast zehn Zentimetern war der Mauerstein der alten Wand freigelegt.
Chavez drückte Anderson in die Ecke, damit er sich die Zerstörung genauer ansehen sollte. »Furchtbar«, sagte er und schüttelte bekümmert den Kopf.
»Und was soll ich mir an dem blöden Loch ansehen?«,flüsterte Jon Anderson und kratzte mit den Fingern im Mauerwerk.
Chavez ignorierte den Untergebenen und wandte sich an das alte Paar. »Und dies hier ist also in der Zeit geschehen, als Sie evakuiert waren? Sind Sie sicher? Sie sind nicht noch ein bisschen länger fortgeblieben? Und haben zum Beispiel einen anderen zoologischen Connaisseur besucht?«
»Wir sind mit der Polizei gegangen und mit der Polizei zurückgekehrt«, erklärte Frau Gyllencranz. »Wir gingen in ein nahe gelegenes Café und warteten das Ende des Elends ab. Wir haben das seit Jahren nicht zusammen gemacht. Und ich verstehe, warum.«
»Die Beschädigung muss also stattgefunden haben, als die Wohnung geräumt war?«
»Das macht die Sache ja so skandalös«, stieà Herr Gyllencranz aus. »Die vollkommen unnötige Evakuierung durch die Polizei hat das Verbrechen erst möglich gemacht. Das ist das Lied unserer Zeit. Die Ordnungsmacht besteht nur noch, um eingewanderte Kriminelle zu schützen und ihnen ihr schändliches Treiben zu erleichtern. Dafür bezahlen wir die höchsten Steuern der Welt.«
»Ihre Theorie, Herr Gyllencranz, besagt also, dass ein eingewanderter Krimineller sich an den Wache stehenden Polizisten unten auf der Grevgatan vorbeigeschlichen hat und in Ihre Wohnung eingebrochen ist, ohne an der Wohnungstür eine Spur zu hinterlassen. Er ging direkt ins Badezimmer, hackte ein Loch in die Wand und verlieà den Tatort, ohne etwas zu stehlen?«
Herr Gyllencranz starrte den bis dahin so gut dressierten kleinen Zigeunerdetektiv an und sagte: »Aber, mein lieber Freund. Das sind doch Drogensüchtige. Bei denen kann man nicht erwarten, dass sie logisch handeln.«
»Was ist auf der anderen Seite der Wand?«
»Das Nachbarhaus«, sagte Herr Gyllencranz verdrossen. »Die Zigeuner in der Skeppargatan.«
»Die Zigeuner?«, platzte Chavez heraus.
»Aber das begreifen Sie doch wohl, dass eine gewisse Grenze verläuft zwischen der Skeppargatan und der Grevgatan.«
Diese Weisheitsworte klangen ihnen noch in den Ohren, als sie sich auf die Grevgatan hinausgeworfen fanden. Sie blieben eine Weile stehen und sahen sich an.
»Es gibt diese Leute also«, sagte Jon Anderson schlieÃlich.
»Und es sind mehr, als wir glauben«, sagte Jorge Chavez.
»Wie sah die Wand aus? Es muss eine Einwirkung von der anderen Seite gewesen sein. Ich habe keine Spuren gesehen.«
Jon Anderson nickte. »Wahrscheinlich«, sagte er. »Das Badezimmer war vielleicht nicht in allerbester Verfassung, aber es muss doch einen ziemlich kräftigen Stoà von der anderen Seite gegeben haben, um ein Dutzend Kacheln herabfallen zu lassen.«
»Jemand hat also während der Evakuierung, als das gesamte Viertel hätte leer sein sollen, die Wand so kräftig demoliert, dass es durchging bis zum Nachbarn. Das sollte uns etwas sagen.«
»Dass wir um die Ecke in die Skeppargatan gehen sollten.«
»Versuchen wir auszurechnen, um welche Wohnung es sich handelt«, sagte Chavez und machte sich, den Blick auf die erste Etage gerichtet, auf den Weg.
Sie bogen um die Ecke und kamen an der Bankfiliale vorbei. Die Fenster waren noch nicht ersetzt, das Gebiet war noch mit blau-weiÃem Plastikband abgesperrt, im Inneren der Bank irrten immer noch Kriminaltechniker herum.
Ein Stück weiter entfernt am Karlavägen stieÃen sie auf einen Mann, der etwas aus dem Rinnstein aufhob. Er hatte ihnen den Hintern zugekehrt, und Chavez hoffte, dass der Mann sie nicht anspräche. Er
Weitere Kostenlose Bücher