Totenmesse
verfolgte offenbar eine Art Gedankengang.
»Nicht Russe, aber Nachrichtendienst?«, hakte Grundström nach.
»Ich habe nie begriffen, warum sie ihm dieses Muttermal nicht wegoperiert haben«, sagte Generalmajor Svärd. »Es sieht verdammt noch mal aus wie Jütland.«
»Was sagst du da?«
»Der ist hell, meine Herren«, sagte Svärd und stand auf. »Vergesst ihn.«
»Hell?«
»Freund.«
»Freund?«, platzte Hjelm heraus. »Dann hat also ein Freund gestern Nacht meine Frau zu ermorden versucht. Dann habe ich einem Freund den Arm zerschmettert.«
Svärd machte sich auf den Weg zur Tür des Kaffeeraums. Unterwegs sagte er: »Freundschaft wird in unserer Welt ein bisschen eigenartig definiert.«
Grundström ging ihm nach.
Hjelm blieb zurück. Er drückte die Hände hart gegen den Tisch, als er sich erhob. »Jetzt wartet mal, verflucht«, sagte er wütend. »Wovon reden wir hier? Ist es ein Amerikaner?«
»Es würde mir nie in den Sinn kommen, die Frage zu beantworten«, sagte Svärd und öffnete den Besuchern die Tür.
Grundström blieb in der Tür stehen und sagte nachdenklich: »Was hast du damit gemeint, Snuffe, als du gesagt hast, ich wäre übervorsichtig? Es war, als ich gefragt habe, ob Nachrichtendienste in die Sache verwickelt seien.«
»Aber das wisst ihr doch«, sagte Svärd.
»Warum sollten wir das wissen?«
»Es ist doch das Viertel Gnistan , herrje. Es konnte kein Zufall sein, dass es gerade dort geschah, also waren wir vom Beginn der Geiselnahme an äuÃerst aufmerksam.«
»Das sagt mir nichts«, meinte Grundström.
»Ist das dein Ernst? Wozu habt ihr eigentlich die Sicherheitspolizei?«
»Rück schon raus damit, Snuffe.«
»Es ist doch allgemein bekannt, dass die Stasi dort einen Unterschlupf hatte«, sagte Svärd.
»Stasi? Die Ostdeutschen?«
»Durch die Wohnung dort ist ein Strom von Spionen geflossen. Wir hatten sie ständig unter Beobachtung. Skeppargatan62, erster Stock. Eine Gang alter Agenten blieb nach dem Fall der Mauer einfach da und gründete eine Sicherheitsfirma. Fischer Security AB. Mit dem Chefspion Sven Fischer als geschäftsführendem Direktor. Vollkommen legitim.«
»Hell«, sagte Paul Hjelm.
Nach einem zumindest zur Hälfte herzlichen Abschied verlieÃen die beiden Internermittler den Generalmajor. Nachdem sie ein Stück den Korridor entlanggegangen waren, wandte Paul Hjelm sich Niklas Grundström zu, der mit seiner gewohnten klaren Stimme sagte: »Exfrau.«
»Was?«, sagte Hjelm.
»Du hast Frau gesagt. Du hast Exfrau gemeint.« Paul Hjelm schwieg.
»Er ist der beste Vorgesetzte, den ich je hatte«, sagte Grundström.
»Snuffe und Nixon«, sagte Hjelm bissig.
»Aber wenn du glaubst, ich kenne ihn â¦Â«
»Was läuft hier eigentlich ab, verdammt?«, platzte Hjelm heraus. »Russen, Amerikaner und Ostdeutsche? Sind wir im Kalten Krieg gelandet?«
»Darüber können wir uns jetzt Gedanken machen«, sagte Grundström.
»Was für eine Redensart war das?«, fragte Hjelm abrupt.
»Wieso, was?«
»Ihr hattet eine Redensart, hast du gesagt, für diesen vegetativen Zustand, der eine Art Ãberlebenshilfe bei der militärischen Ausbildung war.«
»Ach so, das meinst du«, sagte Grundström mit einem kleinen hellen Lachen. »Das ist vielleicht nicht so relevant.«
»Kein bisschen«, sagte Hjelm. »Wie hieà sie?«
»Ein Sonnenblumensamen in der Wintererde.«
Kerstin Holm zitterte am ganzen Körper. Es war Nacht, sie sollte schlafen, drauÃen vor dem pechschwarzen Hintergrund des Innenhofs in der Regeringsgatan hatte Schneefall eingesetzt. Die weiÃen Flocken gingen allmählich in Schneeregen über.
Es gab vieles zu durchdenken. Der morgige Tag würde anstrengend werden. Der schon angefangen hatte. Seit einigen Stunden.
Es war tatsächlich eine richtig trübe Brühe.
Wo bist du gerade, Jan-Olov Hultin?
Eine seltsame Welt, die sie in sich hatte erstehen lassen. Was für ein phantastischer Unterschied zwischen verschiedenen Lesarten. Wie viel mehr Mühe es kostete, dem Trockenen Leben einzuhauchen, statt es einfach nur zu akzeptieren â aber wie viel mehr Kraft daraus erwuchs.
Wenn man nicht auf eine kalte Abreibung aus war.
Und das war sie nicht.
Flammen loderten in ihrem
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