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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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schaltete das Licht aus und tauchte damit auch das Wohnzimmer in völlige Dunkelheit. Rücklings gegen die Wand gepresst, versuchte sie um die Ecke zu lugen.
    Sie konnte niemanden entdecken. Der Unbekannte hatte schon wieder die Stellung gewechselt, drückte sich vermutlich auch irgendwo gegen die Wand. Allerdings traute sie sich nicht zum Durchgang. Warum ihm einen Vorteil verschaffen? Da war es doch viel gescheiter, ihn zu ihr heranzulocken – und in die Reichweite ihrer behelfsmäßigen Waffe. “Wer sind Sie?”, rief sie. “Was wollen Sie?”
    Wieder nichts. Atemlos vor Furcht, zerschlug sie die Flasche an der Wand und hielt nur noch den scharfzackigen Flaschenhals wie einen Dolch gezückt. Das gibt’s doch alles gar nicht, durchzuckte es sie. Dennoch hallte ihr das Gespräch mit Molly von vorhin durch den Kopf.
Macht er dir Angst?
    Und wie! So eine Angst hatte sie ihr Lebtag noch nicht verspürt.
    “Mike!”, rief sie. “Wenn du nicht postwendend wieder in den Knast willst, dann mach lieber, dass du hier verschwindest! Was meinst du wohl, warum hier sämtliche Lampen brannten? Ich warte auf den Mann von gestern, den Privatdetektiv. Der ist nur kurz einen Trinken gegangen und müsste jeden Moment zurückkommen. Der übernachtet nämlich hier.”
    Ihr Mund war so trocken, dass sie kaum einen Ton hervorzubringen vermochte. Allerdings sah es so aus, als habe ihre Finte gewirkt: Schlagartig tat sich jetzt etwas. Dumpfe Schritte polterten quer durch die Küche, und eine Tür knallte ins Schloss.
    Madeline rannte um die Ecke, knipste das Licht aus und spähte durchs Fenster, um den Flüchtigen vielleicht noch zu sehen oder gar zu erkennen. Sie sah aber nur flüchtig etwas Weißes – einen Männerkopf oder einen Arm –, dann war er weg.
    Zitternd legte sie die zerbrochene Flasche beiseite und griff nach dem Telefon. Warm und tröstend hörte sie das Tuten des Freizeichens im Ohr.
    Ruhe bewahren! Tief durchatmen!
    Mit bebenden Fingern gab sie den Notruf ein und wurde schließlich mit der Polizei verbunden. Anschließend versuchte sie, Hunter auf seinem Handy und auch im Motel anzurufen. Er ging aber nicht ran.
    “Wo steckst du bloß?”, murmelte sie. Ihn ins Motel umzusiedeln, stellte sich nun als Fehler heraus.
    In Erwartung der Sirenen – dem beruhigenden Zeichen, dass Hilfe im Anmarsch war – rutschte sie seitlich am Küchenschrank herunter und setzte sich auf den Fußboden … in etwas Nasses, wie sie sofort bemerkte. Konsterniert rappelte sie sich hoch und machte das Licht wieder an. Entsetzt schlug sie die Hand vor den Mund.
    Das Nasse auf dem Fußboden war Blut! Verschmiert von ihren eigenen Füßen.
    Hunter erspähte Madelines hünenhaften Bruder sofort in der hintersten Ecke und zwängte sich zu ihm durch, dabei nach Kräften bemüht, den ihm so vertrauten Alkoholdunst zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Zigarettenqualm, der einer dicken blauen Wolke gleich in der Kneipe hing und ihm scharf in Nasenlöcher und Lungen drang. In Kalifornien war das Rauchen in den meisten öffentlichen Einrichtungen schon seit Jahren verboten. Allem Anschein nach hinkte Mississippi in Sachen Gesundheitsschutz da weit hinterher. Wie auch bei vielem anderen, Mode inbegriffen.
    Die meisten männlichen Gäste liefen in Wrangler-Jeans herum, und zwar in dermaßen engen, dass Hunter sich wunderte, dass sie überhaupt noch Kinder zu zeugen in der Lage waren. Dazu trugen sie Wollhemden mit T-Shirts darunter und auf dem Kopf einen Cowboyhut. Abgesehen von zwei älteren Männern, die in Overalls an der Theke saßen, war Hunter anscheinend die einzige Ausnahme. Er war in alten, abgewetzten Jeans mit modischem Knieriss aufgetaucht. Das Witzige war nur, dass der Riss bei ihm eher ein Zeichen von Abnutzung war als ein Modefimmel.
    “So, was nun?”, knurrte Clay unwirsch. “Sie haben mich ja wohl nicht aus Spaß an der Freude aus dem Bett geholt!”
    Hunter nahm Clay gegenüber Platz, sagte aber nichts, da sich gerade eine Bedienung näherte.
    “Was darf’s denn sein, Jungs?”, fragte sie.
    “Für mich ‘n Bier”, brummte Clay.
    Hunter hätte sich ebenfalls gern ein Fläschchen genehmigt. Sicher, der Schuppen war total verräuchert, und aus der Musikbox dudelte Countrymusic – zwei wesentliche Unterschiede zu den Szenelokalen, in denen er sich in Kalifornien immer herumtrieb. Egal, Kneipe war Kneipe. Rein gewohnheitsmäßig hätte er sich – nach zehn Jahren regelmäßigen Alkoholkonsums – in dieser

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