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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Schatten auf seinem Gesicht lag.
    Trixi rührte sich nicht, als wäre sie mit dem Brunnen zu Stein geworden.
Lähmende Angst
, jetzt verstand sie, was das war. Es war absurd: Statt einen logischen Gedanken zu fassen, musste sie an diese Filme denken,
     in denen die Person, die sich in Gefahr befand, einfach stehen blieb, erstarrte, als würde sie auf den Todesschlag warten,
     während die Zuschauer vor dem Fernseher saßen, sich die Haare rauften und »Mach schon, hau ab!« schrien.
    Hau ab, Trixi! ,
schrie sie innerlich und zwang sich schließlich zum Weitergehen. Erst hatte sie das Gefühl, ihre Beine würden wegknicken.
     Doch mit jedem Schritt beruhigte sie sich mehr, wurde sie sicherer. Um sie herum waren Häuser voller Menschen. Sie war mitten
     in der Stadt. Wie Hunderte Male zuvor war sie auf dem Weg zu Flora. Das hier war die Wirklichkeit, kein abgeschmackter Horrorthriller.
    Als sie in die hell erleuchtete Ellingtonstraße einbog, schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Ein Mann ging am Abend durch
     den Park und durch die Stadt. Genau wie sie. Er kam von der Arbeit.Wollte nach Hause. Vielleicht wollte er jemanden besuchen, war zum Essen eingeladen. Rein zufällig war er auch durch den Park,
     über die Holzbrücke, an der Trinitatiskirche vorbei und zum Beethovenplatz gegangen. Nichts weiter. Es war nur ein Zufall,
     der ihr normalerweise überhaupt nicht aufgefallen wäre, würden die Leute um sie herum nicht alle vor Angst und Panik komplett
     gaga sein. Sie war einfach paranoid, wie alle in dieser gottverfluchten Stadt seit der Sache am See. Die Polizei sollte endlich
     den Täter finden, damit das aufhörte, damit nicht noch alle verrückt wurden.
    Als Trixi von der Ellingtonstraße nach rechts in die Hindemithstraße bog, sah sie sich kurz um. Es war eher ein Reflex als
     eine bewusste Entscheidung. Zwischen den parkenden Autos tauchte ein Kopf auf. Er war von einer Kapuze bedeckt. Trixis Kiefer
     verkrampfte sich, als sie die Backenzähne aufeinanderpresste.
Nur ein Mann. Auf dem Weg nach Hause,
wiederholte sie stumm und ohne echte Überzeugung. Sie blies sich den dicken Pony aus der Stirn und ging weiter. Ihre Schritte
     waren klein, schnell und leise, wie eine Maus auf der Flucht.
    Die Edvard-Grieg-Straße, in der Flora wohnte, war die zweite Querstraße, die links von der Hindemith abging. Es war nicht
     mehr weit. Nur noch ein paar Meter, dann war Trixi in Sicherheit, zurück in der Wirklichkeit, raus aus diesem lächerlichen
     Albtraum.
    Trixi überquerte die erste Straße und drehte sich dabei unauffällig um, als würde sie auf herannahende Autos achten. Die Straße
     war vollkommen leer. Doch auf dem Bürgersteig hinter ihr lief jemand, die Schritte ruhig und gleichmäßig, beharrlich. Der
     Mann mit der Kapuze folgte ihr noch immer. Ein heißer Strom lief Trixi durch die Kehle, als sie bemerkte, dass der Abstand
     sich verkleinert hatte. Der Mann war höchstens noch vier Autolängen entfernt.
    Trixi drehte sich abrupt um und ging weiter. Am liebsten wäre sie gerannt, so schnell sie nur konnte. Aber sie widerstand
     dem Drang. Sie wollte nicht rennen, weil sie befürchtete, damit alles nur noch schlimmer zu machen und ihr Schicksal zu besiegeln.
     Außerdem wäre das eine Art Eingeständnis gewesen. Das Eingeständnis, dass sie sich tatsächlich in Gefahr befand. Obwohl ihr
     Herz hämmerte wie nach einem Marathon und sie das Zittern der Fäuste in ihren Jackentaschen kaum unterdrücken konnte, wollte
     sie den letzten Funken Hoffnung nicht aufgeben, der Mann hinter ihr hätte nichts mit ihr zu tun. Obwohl er ihr seit dem Park
     folgte. Obwohl er immer näher kam. Obwohl sie jetzt an seinen Schritten hören konnte, dass auch er an der ersten Querstraße
     vorbeigegangen war und weiter auf der Hindemithstraße ging. Nur ein paar Meter von ihr entfernt, dicht in ihrem Rücken.
    Trixi zog die Schulterblätter zusammen, als es sievom Nacken bis zum Steiß fröstelte. Die Schritte hinter ihr klangen entschlossen, unaufhaltsam näherten sie sich. Sie versuchte,
     das Geräusch einen Moment auszublenden und einen klaren Gedanken zu fassen. Die Hindemithstraße war im Gegensatz zur kleinen
     Edvard-Grieg-Straße, in der Flora wohnte, gut beleuchtet. Würde Trixi erst einmal in Floras Straße einbiegen und es dort womöglich
     sogar bis zum Hauseingang schaffen, hätte sie damit nicht viel gewonnen. Der Hauseingang bedeutete in dem Fall keine Sicherheit,
     er war eine dunkle Falle. Die Klingeln

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