Traenenengel
aufgerissen und fuchtelte mit den Armen durch
die Luft, dass Trixi Angst hatte, einen Schlag abzubekommen.
»Du spinnst«, sagte Trixi und blieb vor dem Eingang zu Floras Haus stehen.
Hagen sah Trixi einen Moment mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an.
»Was ist?«, fragte Trixi.
»Stimmt. Ich spinne«, sagte Hagen schließlich und lächelte kurz.
***
Dieses Mal saß Sälzer selbst am Steuer des Dienstwagens. Er war kein guter Fahrer, aber ein schneller, wenn es sein musste.
Er bog von der Hindemithstraße in die Edvard-Grieg-Straße und nahm dabei den Bordstein mit. Aus den Augenwinkeln sah er noch
das Einfahrtverbotsschild der Einbahnstraße.
Masaryk hielt sich auf dem Beifahrersitz mit einer Hand am Türgriff, mit der anderen am Armaturenbrett fest. »Da ist gerade
jemand reingegangen«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf die Tür des Hauses Nummer 18.
Sie ließen den Wagen mitten auf der Straße stehen und stürmten in den Hausflur. Obwohl Sälzer fülliger und älter als sein
junger Kollege war, erreichte er die erste Etage zuerst. Er hielt sich mit einer Hand am Geländer fest, atmete heftig, während
er folgendes Bild aufnahm: Flora Duve stand in der Wohnungstür. Unmittelbar davor und nicht mehr als eine Armlänge entfernt
von ihr stand Patrick Felber. Er hielt Flora etwas entgegen, das in braunes Papier verpackt war. Hinter Patrick standBeatrix Jerger. Neben ihr ein junger Mann mit Brille und Kapuzenjacke, Anfang zwanzig oder jünger.
Masaryk überholte Sälzer, war mit zwei Schritten bei Patrick Felber, packte ihn am Oberarm und zog ihn von Flora weg. Das
Päckchen, das Patrick Flora hinhielt, fiel zu Boden und machte ein Geräusch wie eine zerbrechende Kaffeetasse.
Flora stieß einen Schrei aus.
»Lassen Sie mich los! Was soll das?« Patrick versuchte vergebens, sich aus Masaryks Griff zu befreien.
Sälzer ging auf Patrick zu, zog ein Foto aus seiner Jackentasche und hielt es ihm entgegen.
Beatrix, die noch immer hinter Patrick stand und das Foto sah, riss die Augen auf und hielt sich die Hand vor den Mund.
Patrick starrte auf das Foto von Flora. Über ihre lachenden, grünbraunen Augen verlief eine Blutspur, breitete sich weiter
über die Nase aus und bildete auf ihrem Mund einen dunkelroten Fleck. Floras Wangen, ihr Kinn und ihr Hals waren von Blutspritzern
übersät. Patricks Lippen zuckten, aber er brachte keinen Ton heraus.
Polizeihauptmeister Sälzer trat näher an Patrick heran. Er sah ihm fest in die Augen. »Dieses Foto habe ich aus deinem Schrank«,
erklärte er. »Sag was. SAG ENDLICH WAS!«
Patrick blinzelte kurz. »Sie haben bei mir rumgeschnüffelt. Das geht Sie nichts an.«
»Doch. Tut es. Und zwar seit letztem Mittwoch. Seit du an dem Abend zurück zum See gefahren bist. Zum Badeufer. Vielleicht
hast du Flora noch eine Weile beobachtet. Warst noch unschlüssig, was du tun solltest.« Sälzer sprach leise, aber eindringlich.
»Dann hat sie sich ausgezogen. Das hat bei dir einen Schalter umgelegt. Etwas, was sich seit Wochen, seit Jahren in dir angestaut
hat, brach aus dir heraus. Du hast sie überwältigt, zur Badeinsel geschafft. Vielleicht war es auch anders. Vielleicht hast
du sie gezwungen, zur Badeinsel zu schwimmen. Vielleicht ist sie sogar freiwillig geschwommen, weil sie nicht wusste, was
sie dort erwartete. Und auf der Badeinsel hast du sie dann –«
»NEIN!«, schrien Patrick und Flora gleichzeitig.
Sälzer sah erstaunt zu Flora. Sie stand noch immer in der Wohnungstür, hatte einen Pulloverärmel bis über die Fingerspitzen
gezogen und knetete die Naht mit der anderen Hand.
»So war es nicht«, sagte Patrick.
»Dann erzähl uns, wie es war«, forderte ihn Masaryk auf. »Du kannst es hier machen oder auf der Polizeiwache.«
»Lassen Sie mich dann endlich los?«, fragte Patrick, sah auf seinen Oberarm und dann zu Masaryk, der ihn noch immer fest umklammert
hielt.
Masaryk lockerte seinen Griff langsam, bis er Patricks Arm schließlich ganz losließ und die Hand senkte. Aber er blieb dicht
hinter Patrick stehen.
Patrick sah zu Sälzer, senkte den Blick und begann: »Ja, es stimmt, ich war an dem Abend wütend auf Flora. Nein, nicht wütend.
Ich habe sie gehasst. Aber das hielt nicht lange an. Mir wurde bald klar, dass ich nur mich selbst für alles hassen kann.
Mein kleines, beschissenes Selbst.« Patrick sprach schnell, während seine Augen zwischen zwei unbestimmten Punkten hin- und
herflogen. Er vermied
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