Traummann mit Vergangenheit
Menge, worüber wir reden können, Nora. Das weißt du genauso gut wie ich. Ich glaube, du hast Angst.“
Volle Punktzahl für den Gegner, dachte sie und wusste nicht, wie sie antworten sollte. „Ich kann das nicht besser erklären, als ich es bereits getan habe.“ Sie schluckte. „Und jetzt muss ich los, Stephen. Auf Wiedersehen.“
Es war nach sieben Uhr abends an einem Donnerstag, und alle anderen waren schon nach Hause gegangen. Die Gerüche von Shampoo, Dauerwellenlotion und Haarspray hingen noch im Raum. Nora hatte hart gearbeitet, um den Snip ’n Clip Frisiersalon zu kaufen, und jetzt gehörte er ihr. Sie hatte ein gut laufendes Geschäft, einen beachtlichen Notgroschen und – sie berührte ihren Bauch – vielleicht war sogar ein Baby unterwegs.
Still lächelte sie vor sich hin. War sie schwanger? Es war wahrscheinlich noch zu früh, um das feststellen zu können. Aber sie konnte nicht anders, als genau das zu hoffen. Sie hatte immer Kinder gewollt. Und da es keinen Traummann in ihrer Zukunft gab, war das hier eventuell ihre einzige Chance. Wenn Stephen kein Interesse an einer langfristigen romantischen Beziehung hatte, war es unwahrscheinlich, dass er etwas mit einem Kind zu tun haben wollte. Also brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, dass er den Papa spielen wollte.
Nora hielt das Versprechen einer wunderbaren Zukunft in den Händen. Sie wusste, dass sie eine gute Mutter sein würde – schließlich hatte sie das allerbeste Vorbild. Ihr Kind würde mit viel Liebe und Unterstützung aufwachsen. Genau wie sie.
„Bitte“, flüsterte sie, „lass mich schwanger sein.“
Nur noch ein paar Tage, sagte sie sich. Dann konnte sie den Test machen, um sicherzugehen.
Myrna Nelson war so dünn wie ein Kranich, sie bestand praktisch nur aus dürren Beinen und gebrechlichen Knochen. So langsam und bedächtig, wie sie in Stephens Besprechungszimmer kam, schrillten alle Alarmglocken in seinem Kopf. Er setzte sich neben sie und nahm ihre viel zu dünne Hand in seine.
„Ich muss Ihnen etwas sagen, Myrna: Sie sind dabei, sich in Luft aufzulösen“, bemerkte er. „Im letzten Monat haben Sie drei Pfund abgenommen. Warum essen Sie denn nicht?“
Sie zuckte kaum merklich mit den Achseln. Die Geste unterstrich nur, wie knochig ihre Schultern waren. Myrna war nie kräftig gewesen. Aber bis zu ihrer Krebserkrankung hatte er sie als lebhafte Frau gekannt. In den letzten paar Monaten hatte sich das geändert. Die Operation war erfolgreich gewesen, die Strahlentherapie abgeschlossen. Ihre Prognose war ausgezeichnet.
„Sagen Sie mir, was los ist“, beharrte er.
„Nichts. Es geht mir gut. Bin nur ein bisschen müde.“ Sie seufzte. Dann lächelte sie. „Es ist nett von Ihnen, dass Sie sich Sorgen machen.“
„Gehen Sie zum Gottesdienst? Arbeiten Sie in Ihrem Garten?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist mir alles zu anstrengend.“
Stephen musterte sie gründlicher. Früher hatte sie immer strahlende Farben getragen. Heute war ihr formloses Kleid dunkel und zerknittert. Ihr Mund war bleich und erinnerte ihn daran, dass er sie vor ihrer Krebserkrankung nie ohne Make-up gesehen hatte. Jetzt schminkte sie sich nicht. Ihr Haar war sauber, aber unfrisiert, und ihre Nägel waren unregelmäßig geschnitten. Sie war eine Frau, der alles egal war.
„Lassen Sie nicht zu, dass Ihre Teilnahmslosigkeit das zu Ende bringt, was der Krebs nicht geschafft hat“, sagte er.
Sie schenkte ihm ein dünnes Lächeln, das ihre Augen nicht berührte. „Danke, Dr. Remington. Es geht mir gut.“
Mühsam erhob sie sich und griff nach ihrer Handtasche. Dann schlurfte sie aus dem Zimmer. Er folgte ihr und wünschte sich, er könnte eine Lösung herbeizaubern. Irgendwie hatte ihre Krankheit dazu geführt, dass Myrna Nelson in Hoffnungslosigkeit versunken war.
Als er ihr die Vordertür aufhielt, schaute er automatisch zur anderen Straßenseite hinüber. Die helle Nachmittagssonne spiegelte sich in den Fenstern von Noras Geschäft, daher konnte er nicht hineinsehen. Aber er stellte sich die schöne Frau vor, die dort arbeitete.
In diesem Augenblick trat eine ihrer Kundinnen hinaus auf die Straße. Sie war ungefähr so alt wie Mrs. Nelson, aber anders als Myrna bewegte sie sich schwungvoll. Sie hielt inne, um ihr Spiegelbild im Schaufenster zu begutachten. Dann strich sie sich übers Haar und lächelte zufrieden.
Stephen starrte sie einen Moment lang an. Schließlich kam ihm eine Idee. „Ich will Sie in zwei Wochen
Weitere Kostenlose Bücher