Traummann mit Zuckerkuss
Sehr… beeindruckend«, bemerkte Austin höflich, dachte aber bei sich, dass Issy selbst mit den von der Ofenhitze geröteten Wangen, dem weichen, zerzausten Haar, das sich aus dem hastig gebundenen Pferdeschwanz löste, den dunklen Wimpern und der Schürze, die ihre hübsche Figur betonte, eigentlich diejenige war, die er gerne anschaute. Seine Geschäftskundin, ermahnte er sich selbst streng.
Issy sah sich nervös um. In diesem Jahr hatte der Frühling auf sich warten lassen, und zwar so lange, dass sie irgendwann schon dachte, er würde sich nie einstellen. Aber dann war er eines Tages doch da, wie ein unerwartetes Geschenk, das mit der Post kommt, erschien er plötzlich aus dem Blauen heraus. Die Sonne sah hinab, als sei sie überrascht, dass es da unten noch Leute gab, und die Menschen sahen auf, als wären sie erstaunt, zum ersten Mal seit Monaten wieder weiter als bis zu ihrer Nasenspitze zu schauen. Langsam nahm die Welt wieder Farbe an, und Ende März fiel nun sanftes Abendlicht durch die Fenster hinein und erleuchtete die zarten Farben und ruhigen Töne des Cafés am Pear Tree Court. Issys alter Freund Zac, ein arbeitsloser Graphikdesigner, hatte sorgfältig The Cupcake Café in geschwungenen weißen Buchstaben auf die graubraune Fassade gemalt, ein wunderschönes, jedoch zugleich unaufdringliches Logo. Wenn sie morgens zu früh aufwachte, grübelte Issy manchmal darüber nach, ob es nicht vielleicht ein wenig zu diskret war. Dann dachte sie an den Ausdruck auf den Gesichtern der Menschen, wenn sie den Bakewell-Kuchen probierten, den sie nach dem Rezept von ihrem Großvater backte, und biss sich auf die Lippe. Waren gute Zutaten, Eier von freilaufenden Hühnern und exquisiter Kaffee wohl gut genug? (Eines Nachmittags hatten Pearl und sie zusammen mit Austin, der kurz reingeschaut hatte, verschiedene Kaffeesorten durchprobiert. Nach vier Espressos waren sie hellwach, hibbelig und ein wenig hysterisch gewesen, hatten sich dann aber für zwei Mischungen entschieden, einmal den sanften Kailua Kona, ein echtes Allround-Talent, und den stärkeren Selva Negra, für die, die morgens einen ordentlichen Kick zum Wachwerden brauchten. Außerdem wählten sie einen süßen Koffeinfreien für Schwangere und Leute, die eigentlich gar keinen Kaffee mochten, nur den Duft.) Würde sie genug für Strom und Miete reinkriegen? Würde sie damit je selbst Geld verdienen? Würde sie irgendwann damit aufhören, sich solche Sorgen zu machen?
Sie rief noch einmal im Heim an. Waren sie dort startklar?
Am anderen Ende der Stadt saß Graeme bei Kalinga Deniki verwundert an seinem Schreibtisch. Er hatte kein einziges Mal von Issy gehört, und damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Vermutlich war ihr Geschäft noch nicht den Bach hinuntergegangen. Oder vielleicht doch, und sie konnte es nur nicht ertragen, ihm das zu beichten. Na, sie würde sich schon melden, mit Sicherheit. Träge dachte er an die heiße Blondine zurück, die er Samstag in einem Nachtclub aufgerissen hatte. Sie hatte ihm die ganze Nacht das Konzept der Körperbürstenmassage erklärt und dargelegt, warum Christina Aguilera, also echt jetzt, das totale Vorbild war. Als sie zum Frühstück einen Karottensmoothie verlangt hatte, Baby, wollte er sie nur noch so schnell wie möglich aus seiner Wohnung haben. Das sah ihm gar nicht ähnlich.
Egal, er musste sich jedenfalls konzentrieren. Bei der Arbeit lief es immer noch nicht besser, und er brauchte etwas Lukratives– ein richtig großes Projekt–, um die Chefetage in den Niederlanden zu beeindrucken. Irgendetwas Cooles, Innovatives und Abgefahrenes, das zahlungskräftige Käufer wie ihn selbst anlocken würde, eine Idee mit allen Schikanen. Er betrachtete den Stadtplan von London, auf dem Stecknadeln seine momentanen Projekte markierten. Sein Blick wanderte die Farringdon entlang, bis zum Kreisverkehr an der Old Street, überflog dann Islington und folgte der Albion Road, bis er kaum lesbar den Namen Pear Tree Court entdeckte. Er dachte sich, dass er ja mal einen Blick darauf werfen konnte.
Issy strich ihr neues Kleid mit Streublumenmuster glatt. Zunächst hatte sie sich darin ja viel zu niedlich gefunden, wie eine Statistin in einer amerikanischen Fernsehsendung über Hausfrauen in den Fünfzigern, aber der Look war neuerdings in Mode gekommen, und inzwischen trugen alle Geblümtes mit enger Taille und ausladenden Röcken. Seit sie damit voll im Trend lag, fühlte sie sich mit ihrem Stil wohler, und
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