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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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lass uns damit aufhören.« Und Harry hatte mit hoher, weinerlicher Stimme, die ihre grausam nachahmte, geantwortet: »Du bist doch die, die's tut – hör
du
doch auf.«
    Lauren hatte es aufgegeben dahinterzukommen, worüber sie sich eigentlich stritten. Immer über etwas Neues (heute Abend lag sie im Dunkeln und dachte, wahrscheinlich darum, dass sie fortging, dass Eileen diese Entscheidung allein getroffen hatte) und immer um dasselbe – das, was zu ihnen gehörte, was sie nie loslassen konnten.
    Lauren hatte auch die Vorstellung aufgegeben, dass beide einen wunden Punkt hatten – dass Harry die ganze Zeit über Witze riss, weil er traurig war, und dass Eileen barsch und abweisend wegen etwas war, von dem Harry sie ausschloss –, und dass, wenn es ihr, Lauren, gelang, beide darüber aufzuklären, dann alles besser werden würde.
    Am nächsten Tag waren sie immer wortkarg, zerknirscht, beschämt und sonderbar erfrischt. »Das muss sein, es ist schlecht, wenn man seine Gefühle unterdrückt«, hatte Eileen einmal zu Lauren gesagt. »Es gibt sogar eine Theorie, dass die Unterdrückung von Zorn Krebs verursacht.«
    Harry nannte die Streitereien Kräche. »Tut mir leid, dass wir wieder Krach gehabt haben«, sagte er dann. »Eileen ist eine sehr launische Frau. Ich kann nur sagen, mein Herz – o Gott, ich kann nur sagen – so was kommt eben vor.«
    *
    An diesem Abend schlief Lauren ein, bevor die beiden angefangen hatten, sich ernsthaft wehzutun. Sogar bevor sich Lauren sicher war, dass sie es tun würden. Die Ginflasche war noch nicht in Erscheinung getreten, als sie sich auf den Weg ins Bett machte.
    Harry weckte sie auf.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Tut mir leid, Schatz. Könntest du bitte aufstehen und herunterkommen?«
    »Ist schon Morgen?«
    »Nein. Es ist immer noch spät abends. Eileen und ich möchten mit dir reden. Es geht um das, was du schon weißt. Nun komm. Willst du deine Pantoffeln haben?«
    »Ich hasse Pantoffeln«, erinnerte Lauren ihn. Sie ging vor ihm die Treppe hinunter. Er war immer noch angezogen, und auch Eileen, die unten im Flur wartete, war immer noch angezogen. Sie sagte zu Lauren: »Es ist jemand da, den du kennst.«
    Es war Delphine. Delphine saß auf dem Sofa, über der üblichen schwarzen Hose und dem schwarzen Pullover trug sie eine Skijacke. Lauren hatte sie noch nie in Straßenkleidung gesehen. In ihrem Gesicht hing alles herunter, ihre Haut war schlaff, ihr Körper sah aus wie nach einer schweren Niederlage.
    »Können wir nicht in die Küche gehen?«, sagte Lauren. Sie wusste nicht, warum, aber die Küche kam ihr sicherer vor. Ein normalerer Ort, und mit dem Tisch, an dem sie sich festhalten konnte, wenn alle darum saßen.
    »Lauren möchte in die Küche gehen, also gehen wir in die Küche«, sagte Harry.
    Als alle dort Platz genommen hatten, sagte er: »Lauren. Ich habe gesagt, dass ich dir von dem Baby erzählt habe. Von dem Baby, das wir vor dir hatten, und von dem, was mit dem Baby passiert ist.«
    Er wartete, bis Lauren »Ja« gesagt hatte.
    »Darf ich jetzt etwas sagen?«, fragte Eileen. »Darf ich etwas zu Lauren sagen?«
    Harry sagte: »Aber natürlich.«
    »Harry konnte die Vorstellung von noch einem Baby nicht ertragen«, sagte Eileen und sah dabei auf ihre Hände hinunter, die unter der Tischplatte in ihrem Schoß lagen. »Er konnte die Vorstellung von all dem häuslichen Chaos nicht ertragen. Er musste schreiben. Er wollte etwas erreichen, also konnte er kein Chaos gebrauchen. Er wollte, dass ich es abtreiben lasse, und ich habe gesagt, ja, und dann habe ich gesagt, nein, und dann habe ich gesagt, ja, aber ich konnte es einfach nicht, und wir haben uns gestritten, und ich habe das Baby genommen und bin ins Auto gestiegen, ich wollte zu Freunden fahren. Ich bin nicht zu schnell gefahren, und ich war auf keinen Fall betrunken. Es lag nur am schlechten Licht auf der Straße und am schlechten Wetter.«
    »Auch daran, dass die Babytragetasche nicht angeschnallt war«, sagte Harry.
    »Aber lassen wir das«, sagte er. »Ich habe nicht auf einer Abtreibung bestanden. Es kann sein, dass ich von einer Abtreibung gesprochen habe, aber ich hätte dich nie dazu gezwungen. Ich habe mit Lauren nicht darüber geredet, weil es sie verstört hätte. Das muss sie verstören.«
    »Ja, aber es ist wahr«, sagte Eileen. »Lauren kann das vertragen, sie weiß, es war ja nicht so, als wäre
sie
es gewesen.«
    Lauren machte zu ihrer eigenen Überraschung den Mund auf.
    »Ich bin es aber

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