Tricks
auf jenem Pfad errichtet worden war.
Wonach war Grace eigentlich auf der Suche, als sie sich auf diese Expedition begab? Das Schlimmste wäre wohl gewesen, genau das zu finden, was sie vielleicht zu suchen meinte. Das schützende Dach, die Fenster mit den Fliegengittern, den See davor, das Wäldchen mit Ahornbäumen, Zedern und Balsambäumen dahinter. Die vollkommene Konservierung der Vergangenheit, alles noch genauso wie früher, ganz im Gegensatz zu ihr selbst. Etwas so Entzaubertes vorzufinden, das zwar immer noch existierte, aber nicht mehr von Bedeutung war – wie das Haus jetzt, mit seinen hinzugefügten Schlafzimmerfenstern, seinem entsetzlichen blauen Anstrich –, könnte auf lange Sicht weniger schmerzlich sein.
Was, wenn man feststellen muss, dass es völlig verschwunden ist? Man regt sich auf. Wenn jemand mitgekommen ist, um zuzuhören, beklagt man den Verlust. Aber könnte es nicht sein, dass man von einem Gefühl der Erleichterung überkommen wird, einem Gefühl, dass alte Wirrnisse oder Verpflichtungen endlich begraben sind?
*
Mr. Travers hatte dieses Haus als ÜberraschungsHochzeitsgeschenk für Mrs. Travers erbaut beziehungsweise erbauen lassen. Als Grace es zum ersten Mal sah, muss es etwa dreißig Jahre alt gewesen sein. Die Kinder von Mrs. Travers waren im Alter weit auseinander – Gretchen war acht- oder neunundzwanzig, schon verheiratet und selbst Mutter, und Maury war einundzwanzig und absolvierte das letzte College-Jahr. Und dann war da noch Neil, Mitte dreißig. Aber Neil war kein Travers. Er hieß Neil Borrow. Mrs. Travers war schon einmal verheiratet gewesen, mit einem Mann, der gestorben war. Sie hatte den Lebensunterhalt für sich und das Kind als Lehrerin für kaufmännisches Englisch an einer Sekretärinnenschule verdient. Wenn Mr. Travers diese Zeit in ihrem Leben, bevor er sie kennengelernt hatte, erwähnte, dann sprach er davon als einer Zeit arger Plackerei, vergleichbar der Zwangsarbeit, einer Zeit, kaum wettzumachen durch ein ganzes Leben im Wohlstand, wie er es ihr nur allzu gern bereitete.
Mrs. Travers selbst sprach davon überhaupt nicht so. Sie hatte mit Neil in einem großen alten Haus gewohnt, das in kleine Wohnungen aufgeteilt worden war, unweit der Eisenbahngleise in der Stadt Pembroke, und viele der Geschichten, die sie am Esstisch erzählte, handelten von Ereignissen dort, von ihren Mitmietern und dem frankokanadischen Hauswirt, dessen hartes Französisch und verworrenes Englisch sie nachahmte. Manche der Geschichten hatten Titel wie die Geschichten von James Thurber, die Grace in der
Anthologie des amerikanischen Humors
gelesen hatte, ein Buch, das sich rätselhafterweise in dem Bücherregal an der Rückwand ihres Klassenzimmers angefunden hatte. (Ferner standen in diesem Regal
Der letzte der Barone
und
Zwei Jahre vorm Mast
.)
»Die Nacht, in der die alte Mrs. Cromarty aufs Dach stieg.« »Wie der Briefträger Miss Flowers den Hof machte.« »Der Hund, der Ölsardinen fraß.«
Mr. Travers erzählte nie Geschichten und hatte beim Essen wenig zu sagen, aber wenn er dazukam, während man zum Beispiel den Kamin aus Feldsteinen betrachtete, dann konnte es sein, dass er sagte: »Interessieren Sie sich für Steine?«, und erzählte, woher jeder davon kam und wie lange er nach diesem ganz bestimmten rosa Granit gesucht hatte, weil nämlich Mrs. Travers einmal beim Anblick eines solchen Steines in einem Straßengraben einen Ausruf des Entzückens getan hatte. Oder es konnte sein, dass er einem jene nicht wahrhaft ungewöhnlichen Vorrichtungen zeigte, die er selbst der Ausstattung des Hauses hinzugefügt hatte – die Borde des Eckschranks in der Küche, die beim Öffnen der Tür herausschwangen, den Stauraum unter den Fensterbänken. Er war ein hochgewachsener Mann mit krummem Rücken, leiser Stimme und dünnen, eng angekämmten Haaren. Er trug Badeschuhe, wenn er ins Wasser ging, und obwohl er in seiner normalen Kleidung nicht dick aussah, hing dann eine weiße Speckfalte über den Bund seiner Badehose.
*
Grace arbeitete in jenem Sommer in dem Hotel bei Bailey's Falls, nördlich vom Little Sabot Lake. Am Beginn der Saison hatte die Familie Travers dort zu Abend gegessen. Sie war ihr nicht aufgefallen – die Familie saß nicht an einem ihrer Tische, und es gab an dem Abend viel zu tun. Sie deckte gerade einen Tisch für neue Gäste, als sie merkte, dass jemand darauf wartete, mit ihr sprechen zu können.
Es war Maury. Er sagte: »Ich würde gerne wissen,
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