Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Züge unheimlich und trotzdem verletzlich. Seit Langem hatte sie wieder geweint und schuld daran war diese nächtliche Radiosendung, die Intensität ihres Dialogs. Das hatte eine Saite in ihrem Inneren zum Schwingen gebracht, die sie schon längst für zerrissen und tot geglaubt hatte.
Sie dachte wieder an den Tag, als ihre große Liebe sie von einer Sekunde auf die andere verlassen hatte. Nicht einmal sein Name kam ihr mehr über die Lippen. „Die große Liebe“, das waren jene Zeiten, als sie von Familie und Kindern träumte, von einer Welt in Rosa und Himmelblau, wie so viele junge Mädchen.
Angeblich hatte ihre „große Liebe“ einen tollen Job bei einem Verwandten in Chicago bekommen, die sofortige Abreise war unumgänglich. Es blieb keine Zeit mehr für eine Verabschiedung, nicht einmal für ein kurzes Telefonat. Das hatte ihr Bogdan erzählt. Wochenlang versank sie in tiefen Depressionen, ihr Vater kümmerte sich aufopfernd um sie und dafür liebte sie ihn.
Kein Brief, kein Anruf in all den Jahren. Auch in der Familie wurde diese Episode nie wieder erwähnt. Es war, als hätte es die „große Liebe“ für Tatjana Drakovic nie gegeben. Doch tief in ihrem Herzen war sie noch immer vorhanden. Tief in ihrem Inneren kämpften die Gefühle von Liebe und Hass. Mit den Jahren verebbte der Hass, die Liebe verschwand und übrig blieb eine große Leere.
Leicht schwankend durchquerte sie den Raum, blieb vor ihrer Design-Küchenzeile stehen, öffnete die Schublade, nahm die Umschläge heraus, setzte sich auf den Holzboden und ließ die Bilder herausflattern.
„Es ist der Obolus zu entrichten, nur dann ist der Fährmann bereit, den Fluss zu queren und an das andere Ufer überzusetzen“, las sie mit zittriger Stimme, kroch auf allen Vieren über den Boden, tastete nach der Wodkaflasche auf der Kochinsel, trank und schluckte, bis sie die Flasche nicht mehr halten konnte und zurückstellen wollte, aber sie schätzte die Entfernung falsch ein, die Flasche zerbarst auf dem Boden in kleine Splitter, die wie winzige Diamanten und blitzende Sternschnuppen auf Tatjana Drakovic regneten. Das Grauen endete für sie niemals.
14. Palma: Der siebte Tag
Der königsblaue Bentley Continental GTC Speed schnurrte wie eine Raubkatze den Passeig Maritim in Palma de Mallorca entlang. Rechts die Kathedrale von Palma, links das offene Meer, das blau und glatt im Sonnenlicht funkelte. Der Bentley passierte den königlichen Yachtklub mit seinen Luxusyachten, die russischen Oligarchen oder amerikanischen Internetmillionären als Spielwiese dienten, beschleunigte atemberaubend schnell mit seinen 610 PS, als er auf die Autobahn Richtung Andratx fuhr. Der Wagen brauste durch die mallorquinische Landschaft, doch Igor Drakovic interessierte sich nicht für malerische Fincas oder futuristische Villen, die auf den Hügeln mit Blick auf das Meer standen.
„Alle sind damals gestorben. Ich weiß das aus zuverlässiger Quelle. Aber wenn sich mein Informant geirrt hat und jemand überlebte, dann haben wir ein Motiv. Slobodan soll die entsprechenden Nachforschungen anstellen!“, brüllte er in sein Handy, das er ganz fest an sein Ohr presste, um im Fahrtwind seinen Sohn Bogdan zu verstehen. Wütend stieg er auf das Gaspedal, der Bentley schoss vorwärts, die beiden Leibwächter hatten alle Mühe, ihm in ihrem schwarzen Cayenne zu folgen.
Schon im Morgengrauen war Igor Drakovic im Innenhof seines Palais damit beschäftigt gewesen, seine Vögel in ihren prächtigen Käfigen zu füttern. Natürlich hätte das auch einer seiner zahllosen Bediensteten erledigen können, aber diese Tätigkeit war ein Ritual, mit dem er sich auf den Tag vorbereitete und lästige
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