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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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beklagen. Eine der stilleren unter den alten Damen, Mrs. Bates, stürzte von einem Schemel, als sie eine gläserne Elfe oben auf die alte Standuhr im Schreibzimmer stellen wollte, und brach sich die Hüfte. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass gerade ein junger Arzt zugegen war, der auf der Fahrt nach Dublin zur Übernachtung abgestiegen war. Er kümmerte sich um alles, und Mrs. Bates wurde abtransportiert, bevor ihr Schicksal die Festtagsstimmung der anderen Gäste trüben konnte. Ein paar Tage später fuhr der Major mit dem Wagen nach Valebridge, um sie im Pflegeheim zu besuchen … aber er kam zu spät. Sie hatte Lungenentzündung bekommen und war gestorben. »Die arme Mrs. Bates.« So stand er verloren vor dem Pflegeheim, bis zu den Knöcheln im toten Laub, und knabberte an seinem Schnurrbart.
    Durch all dieses fröhliche Durcheinander schritt Edward wie ein Schlafwandler, still und abwesend. Wenn man ihn fragte: »Wo ist der Hammer?« oder »Haben Sie meine Schere gesehen?«, schüttelte er nur wortlos den Kopf, versuchte nicht einmal, die Frage zu verstehen. Anscheinend bemerkte er überhaupt nicht, dass die grauen Wände rings um ihn in festlichen Farben erblühten. Er blieb, wo er war, an seinem Tisch in der Tiefe des Ballsaals, im Sessel versunken mit einem aufgeschlagenen Buch auf den Knien. Die Damen achteten furchtsam sein Schweigen und gingen auf Zehenspitzen, wenn sie auf ihrer Verschönerungskampagne den Saal passierten. Eines Tages kam Miss Archer zum Major und berichtete: »Er hat ein Gewehr.«
    »Wer hat ein Gewehr?«
    »Edward. Es liegt auf seinem Tisch im Ballsaal.«
    »Meine Güte – was will er damit?«
    Die beiden blickten sich ratlos an. Später, als Edward einen Besuch bei seinen Ferkeln machte, ging der Major hin und sah nach. Es war die reine Wahrheit. Auf Edwards Tisch lag eine Jagdflinte, mit offenem Verschluss und ungeladen. Daneben fand er einen toten Frosch auf dem Rücken liegen; mit ausgestreckten Beinen zeigte er seinen weichen weißen Bauch.
    Während all dieser Zeit kamen Padraig und Viola O’Neill Tag für Tag zu Besuch ins Majestic und streiften mit den Zwillingen umher, die bald genug von der Hilfe bei der Weihnachtsdekoration hatten. Ein paar Tage lang machte es ihnen noch Spaß, Padraig als Mädchen zu verkleiden. Sämtliche Kleider Angelas wurden aus ihren Truhen, Schränken und Packkisten geholt; solche, die ihm passten, kamen auf einen Haufen, die, die nicht passten, auf einen zweiten. Das beschäftigte sie noch eine Weile, dann war es langweilig geworden. Gerade als das Interesse wieder einmal nachließ, fiel Viola ein, dass sie sich ja noch nicht um den Rest von Padraigs Kleidung gekümmert hatten, um Unterwäsche, Unterröcke, Korsetts und so weiter. Bald war alles wieder ein einziges großes Gekicher, als sie sich mit den Haken und Ösen von Angelas Korsetts abmühten und die Bänder zurrten – nicht dass Padraigs wohlgeformter Leib solche Korrekturen nötig gehabt hätte, aber sie fanden, dass sie, wenn schon, dann die Sache auch ordentlich machen sollten. Ein oder zwei Tage lang versuchten sie den Major zu überreden, nach oben zu kommen und Padraig im Mieder, im Nachthemd, in Angelas Badekostüm von 1908 zu bewundern (der Major lehnte alle diese Einladungen entschieden ab), dann verlor auch die Unterwäsche ihren Reiz. Es war eindeutig Zeit, sich nach einem anderen Spiel umzusehen.
    Ziellos zogen die Mädchen während der nächsten drei oder vier Tage durchs Haus, erzählten allen, wie sehr sie sich langweilten, und bettelten um Geld – damit sie nach Dublin durchbrennen und sich vergewaltigen lassen konnten wie alle anderen (sie wussten nicht so recht, was das war, aber es klang interessant). Padraig hingegen verkleidete sich immer noch, saß bei den Damen oder glitt mit sanft säuselnden Röcken durch die Gänge. Ja, inzwischen hatte man sich so sehr an den Anblick gewöhnt, dass kaum noch jemand auf ihn achtete, außer vielleicht mit einem zerstreuten Lächeln oder einem »das ist aber ein
süßes
Kleid«. Wahrscheinlich hatten die meisten Damen inzwischen vergessen, dass er in Wirklichkeit kein Mädchen war. Nur einmal rief er noch eine heftige Reaktion hervor: ganz unerwartet platzte Mr. Norton eines Tages der Kragen, und er brüllte: »Geh mir aus den Augen, du dreckiges kleines Schwein!« Alle fanden das unerhört, aber Mr. Norton hatte von Anfang an als Mann mit schlechten Manieren gegolten, auch wenn er ein Mathematikgenie war. Padraig wurde an

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