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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Gedanke an sie voller Trauer und Liebe. Doch dann brachte ihn das, was da unter dem Tischtuch lag, wieder zur Tragödie dieses Morgens zurück.
    Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte zu seiner Verblüffung fest, dass es noch nicht einmal acht war, kaum Frühstückszeit. War die Uhr stehengeblieben? Nein. Das hieß, kaum mehr als eine Stunde war vergangen, seit der Schlag der Explosion ihn geweckt hatte, dem ein einziger Schuss vorausgegangen war.
    Als er den Leichnam im Gartenschuppen untersucht hatte, hatte er zunächst nirgends eine Wunde finden können, und er hatte wider alle Vernunft gehofft, dass er sich getäuscht hatte, dass gar kein Schuss vom Dach gefeuert worden war, dass der Junge auf irgendeine andere Art zu Tode gekommen war – durch die Druckwelle der Explosion vielleicht. Doch dann, bei genauerer Inspektion des baumelnden Kopfes, war ihm das größere, blutumrandete Loch im Ohr aufgefallen, und genau dort war die Kugel eingedrungen. Plötzlich hatte der Kopf sich bewegt. Auf seinem Bett aus gefalteten Kartoffelsäcken hatte er sich ein wenig zur Seite geneigt. Jetzt war aus diesem ordentlichen, kreisrunden, doch zu großen Loch im Ohr des jungen Mannes Flüssigkeit gequollen – langsam, dick, wie schwarzes Öl aus dem Hals einer Flasche. Der Major hatte mit angesehen, wie es aus dem Ohr auf die Werkbank tropfte und von da auf das modrige Gras. Doch bald war der Strom schwächer geworden und dann versiegt.
    »Wer ist da?«
    Ein Dienstmädchen stand furchtsam an der Tür zum Jagdzimmer und verkündete, der Doktor und der Mann von der Polizei seien da … Doch sie hatten sich schon an ihr vorbeigezwängt und waren eingetreten, der Doktor mit seinem dünnen weißen Schopf, auf einer Höhe mit den Schultern. Unverzeihlich, dachte der Major, dass man einen alten Mann zu so früher Morgenstunde aus dem Bett holte. Seine Schuhe waren nicht zugeschnürt, und ein paar wenige weiße Bartstoppeln standen wie Raureif auf seinen Wangen. Beim Eintreten warf er dem Major einen einzigen, kurzen Blick zu, mit wachen, bemerkenswert mitleidsvollen Augen, als sei der Tote unter dem Tischtuch irgendwie verwandt mit dem Major und nicht ein vollkommen Fremder.
    »Wenn Sie hier fertig sind, komme ich mit nach Kilnalough. Ich muss mit dem Vater des Jungen sprechen …«
    »Das wäre absurd, Major.«
    Der Major fuhr sich mit der Hand über die Stirn, die feucht vom Schweiß war. »Natürlich hat er es sicher längst erfahren. Ich kann nichts sagen, was ihn trösten wird, das weiß ich. Trotzdem muss ich mit ihm sprechen. Ich muss ihm klarmachen, dass Edward aus rein persönlichen Motiven gehandelt hat. Was er getan hat, war unmenschlich und unverzeihlich … Ich habe versucht, ihn mit den Zwillingen fortzuschicken, aber er weigerte sich; vielleicht war ich nicht hartnäckig genug. Ich hätte merken sollen, was er im Sinn hatte; aber niemals hätte ich gedacht … In den letzten Wochen war er so voller Hass und Verzweiflung. Ich wollte ihn dazu bringen, dass er fortgeht … Sein Verstand ist verwirrt, das steht fest. Warum fühle ich mich verantwortlich für alles was er tut? Der Mann geht mich doch überhaupt nichts an. Heute Morgen hat er mir vorgeworfen, ich sei nicht loyal! Man darf das nicht durchgehen lassen … aber was kann ich tun? Man muss den Leuten klarmachen, dass Edward nicht mehr bei Verstand ist. Ich werde natürlich dafür sorgen, dass er weggeht, notfalls auch gegen seinen Willen. Er kann nicht hierbleiben, das steht fest. Der Vater dieses Jungen darf nicht glauben, dass sein Sohn als Märtyrer im Kampf gegen die Briten gestorben ist; das wäre ungerecht. Welche Hoffnung soll man denn noch für Irland haben, wenn es geschehen kann, dass Menschen so etwas tun? Dieser arme Junge ist privatem Hass und privater Verzweiflung zum Opfer gefallen … Ich bin sicher, Sie verstehen, was ich sagen will, Doktor. Wenn Sie mich nicht verstehen, dann wird mich niemand verstehen!«
    Der alte Mann seufzte, streckte eine schwache Hand aus und tätschelte dem Major den Arm. Aber zu erwidern hatte er darauf nichts.
    Später, als er auf den Doktor wartete, stand der Major unten bei den Überresten der Viktoriastatue und sprach mit dem Inspektor, einem Mann namens Murdoch, merkwürdig trocken und pedantisch und mit einem schiefen Lächeln, das die eine Seite seines Gesichts vor Lachfältchen strahlen ließ, während die andere vollkommen glatt blieb. Er hatte den Tod des Sinn-Fein-Mannes gleichmütig, wenn nicht gar

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