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Tschick (German Edition)

Tschick (German Edition)

Titel: Tschick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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gentlemanlike . Das heißt, er bringt die nicht um. Er versenkt nur ihre Schiffe und rettet alle Passagiere und bringt sie an Land, im Auftrag Seiner Majestät. Und das Buch ist nicht erfunden, das hat er wirklich erlebt. Die tollste Stelle ist aber mit Australien. Da ist er Leuchtturmwärter und jagt Kängurus. Ich meine, er ist fünfzehn . Er kennt niemanden da. Er ist mit dem Schiff ausgerissen, und dann geht er zur Heilsarmee und landet auf einem Leuchtturm in Australien und jagt Kängurus. Aber so weit kam ich diesmal gar nicht.
    Die Sonne knallte runter, ich stellte den Sonnenschirm auf, und der Wind wehte ihn um. Ich stellte Gewichte auf den Fuß. Dann war Ruhe. Aber ich konnte nicht lesen. Ich war auf einmal so begeistert davon, dass ich jetzt machen konnte, was ich wollte, dass ich vor lauter Begeisterung überhaupt nichts machte. Da war ich ganz anders als Graf Luckner. Ich phantasierte nur wieder rum, der ganze Mist mit Tatjana nochmal von vorn. Dann fiel mir ein, dass der Rasen gesprengt werden musste. Das hatte mein Vater vergessen, mir aufzutragen, und ich hätte es also nicht machen müssen. Aber ich machte es. Es hätte mich wahnsinnig gestört, wenn ich’s hätte machen müssen, aber jetzt, wo ich praktisch der Hausbesitzer war und der Garten mein Garten, fand ich auf einmal Gefallen am Rasensprengen. Ich stand barfuß auf der Treppe vor unserem Haus und spritzte mit dem gelben Schlauch rum. Ich hatte das Wasser voll aufgedreht, der Strahl schoss mindestens zwanzig Meter durch die Luft. Die entfernteren Ecken des Vorgartens erreichte ich trotzdem nicht, obwohl ich mit allerlei Tricks und Rumschrauben an der Düse versuchte, noch weiter zu schießen. Weil, ich durfte jetzt auf keinen Fall von der Treppe runter. Das war Bedingung. Im Wohnzimmer White Stripes voll aufgedreht, Haustür offen, und ich: Hose hochgekrempelt und barfuß, Sonnenbrille im Haar, Graf Koks von der Gasanstalt sprengt seine Ländereien. Das konnte ich jetzt jeden Morgen! Ich fand es auch gut, wenn mich jemand dabei sah. Aber die meiste Zeit sah mich keiner. Es war halb neun, die großen Ferien, da lag alles schläfrig versunken. Zwei Blaumeisen zwitscherten durch den Garten. Der sympathisch vergrübelte und seit kurzem erschütternd verliebte Graf Koks von Klingenberg weilte ganz allein auf seinen Gütern – nein, nicht ganz allein. Jack und Meg, die ihn wie so oft, vom Paparazzi-Trubel ermüdet, in seinem Berliner Domizil besuchten, veranstalteten eine kleine Jamsession im Hinterzimmer. Gleich würde der Graf sich zu ihnen gesellen und ein paar rockige Töne auf der Blockflöte beisteuern. Die Vögel zwitscherten, das Wasser plätscherte … Nichts liebte Koks von Klingenberg mehr als diese Blaumeisen-Morgenstunde, in der er seinen Rasen sprengte. Er knickte den Wasserschlauch ab, wartete zehn Sekunden, bis der volle Druck sich aufgebaut hatte, und schoss eine Dreißig-Meter-Boden-Boden-Rakete auf den Rhododendron. In the Cold, Cold Night, sang Meg White.
    Ein klappriges Auto kam die Straße runtergefahren. Es fuhr langsam auf unser Haus zu und bog in die Auffahrt ein. Eine Minute stand der hellblaue Lada Niva mit laufendem Motor vor unserer Garage, dann wurde der Motor abgestellt. Die Fahrertür ging auf, Tschick stieg aus. Er legte beide Ellenbogen aufs Autodach und sah zu, wie ich den Rasen sprengte.
    «Ah», sagte er, und dann sagte er lange nichts mehr. «Macht das Spaß?»

16
    Die ganze Zeit wartete ich krampfhaft, dass auch sein Vater oder sein Bruder oder wer auch immer hinter ihm aussteigen würde, aber da stieg niemand mehr aus. Und das lag daran, dass niemand mehr drin war in dem Auto. Man konnte es durch die dreckigen Scheiben nur schlecht erkennen.
    «Du siehst aus wie ’n Schwuler, dem sie über Nacht den Garten vollgekackt haben. Soll ich dich wo hinfahren, oder willst du lieber noch ein bisschen mit dem Wasser spritzen?» Er grinste sein breitestes Russengrinsen. «Steig ein, Mann.»
    Aber natürlich stieg ich nicht ein. Ich war ja nicht völlig verrückt. Ich ging nur kurz hin und setzte mich halb auf den Beifahrersitz, weil ich nicht so auffällig in der Einfahrt rumstehen wollte.
    Von innen sah der Lada noch kaputter aus als von außen. Unter dem Lenkrad hingen Kabel raus, ein Schraubenzieher steckte unterm Armaturenbrett.
    «Hast du jetzt endgültig den Arsch offen?»
    «Ist nur geliehen, nicht geklaut», sagte Tschick. «Stell ich nachher wieder hin. Haben wir schon öfter gemacht.»
    «Wer

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