Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
die Tür gepresst lauschten.
»Aber«, sagte Addie. »Aber wie? Sie können nicht …«
»Sie haben Tests gemacht. Scans. Sie hatten Papiere. Unterschriften von offizieller Seite. Sie haben unseren Eltern Angst gemacht, sie überzeugt, sie wäre in Gefahr – wäre eine Gefahr. Wir konnten nichts tun.«
Wir sahen ihn an, unsere Haare zerzausten, als der Wind sie uns ins Gesicht blies.
»Sie werden mich auch mitnehmen«, sagte Devon.
Unsere Finger würgten den Baumstamm, der am nächsten war.
»Einfach so?«, flüsterte Addie.
‹Das können sie nicht›, sagte ich. ‹Nein, das können sie nicht.›
Devon und Ryan starrten uns an. Ein Augenpaar, zwei Menschen. »Sie haben den Verdacht, wir hätten keinen Frieden gefunden. Das ist Grund genug für sie.«
Unser Hals war geschwollen, unsere Lunge ein mit Sirup vollgesogener Schwamm.
Und dann switchte Devon – ein abrupter, harscher Wechsel wie ein plötzlicher Ruck. Nichts Subtiles.
»Lauf weg«, sagte Ryan.
Addie grub unsere Fingernägel in die Baumrinde. »Was?«
»Sie werden die Akten durchgehen, Addie.« Seine Stimme war jetzt sanfter, beinah so wie diejenige, die ich manchmal gehört hatte, wenn er neben mir auf der Couch gesessen, über seine vielen Projekte gesprochen und mir gezeigt hatte, wie jedes einzelne funktionierte. Der kleine Robotermann, der gut genug austariert war, um über einen Tisch zu laufen. Die Metallbox, die sich nicht öffnen ließ, es sei denn man drückte alle Knöpfe in der richtigen Reihenfolge. »Sie werden sich umhören, mit wem wir gesehen worden sind. Wer zu uns nach Hause kommt. Mit wem wir an Projekten gearbeitet haben. Und deine Akte … deine Akte wird sie sehr, sehr interessieren.«
Der Wind stöhnte und brachte die Bäume dazu, sich hin und her zu wiegen. Wir wiegten uns mit ihnen.
»Lauf weg, Addie.« Es lag eine Spur von Angst in Ryans Stimme, die dazu führte, dass wir uns innerlich zusammenkrampften. »Geh heute nicht nach Hause. Geh einfach fort.«
»Einfach fortgehen?«, sagte Addie. »Meine Eltern verlassen? Lyle?«
»Du wirst sie sowieso verlassen!«, sagte er, die Stimme gepresst und heiser, als sei sie rau vom Schreien. »Addie, sie werden dich mitnehmen.«
»Sie werden mich wieder zurückgeben!«, rief Addie. »Sie haben mich noch jedes Mal zurückgegeben. Ich habe Frieden gefunden. Ich komme immer zurück nach Hause.«
Schweigen. Im Kopf dröhnendes, im Herzen hämmerndes Schweigen.
»Und du?« Die Worte brachen, als sie unsere Lippen verließen. »Wirst du weglaufen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Sie haben schon Lissa und Hally mitgenommen. Aber du musst. Addie, bitte. Lauf weg. Du kannst nicht … Eva …«
»Devon?«, rief jemand. »Devon Mullan!«
Ryan erstarrte. Addie drehte sich gerade noch rechtzeitig um, damit sie sah, wie ein Mann in einem weißen Button-down-Hemd die Tür seines Autos zuwarf. Er schlenderte auf uns zu, seine Lippen wurden schmal, als seine Schuhe im Schlamm einsanken.
»Hier bist du, Devon.« Der Mann war groß, schlank, mit einer ausgeprägten Kieferpartie und kurzen hellbraunen Haaren. Er sah aus, als wäre er ungefähr im Alter unserer Eltern, nicht älter als fünfundvierzig Jahre. Ein gut aussehender Mann. Geschäftstüchtig. Formell. »Ich wollte gerade aufgeben und gucken, ob du nach Hause gegangen bist. Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, uns bei den Spinden zu treffen?«
»Hab ich vergessen«, sagte Ryan ausdruckslos.
Der Mann sah uns an. Um genau zu sein, warf er uns nur einen kurzen Blick zu. Aber es war ein Blick, der mir das Gefühl gab, nackt zu sein, als könne er durch unsere Augen hindurchspähen und sähe Addie und mich zusammengerollt in den Nebelschleiern unseres Geistes.
»Ist nicht weiter schlimm«, sagte er, klang aber, als wäre es in Wahrheit sehr wohl schlimm. Er deutete auf seinen Wagen, der wie ein schwarzes Monster in Wartestellung am Straßenrand schimmerte. »Bist du jetzt so weit?«
»Einen Moment noch«, sagte Ryan. Sein Gewicht verlagerte sich, als er einen Schritt vorwärts machte, auf uns zu. Ehe wir wussten, wie uns geschah, hatte er uns in eine Umarmung gezogen. Addie zuckte zusammen und versuchte, sich loszureißen. Er hielt uns fest. Ich war gefangen in unserem Körper und gefangen in seinen Armen und irgendwie war Ersterer das wahre Gefängnis.
»Lauft«, flüsterte er in unser Ohr.
Dann ließ er uns los und ging zum Wagen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, die Schritte gemächlich. Wir sahen ihm
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