Über den Fluß und in die Wälder
zur Zeit, als es gebaut wurde, keinen Platz für Badezimmer vorgesehen, und später, als sie eingeführt wurden, hatte man sie den Korridor entlang angelegt, und alle, die ein Anrecht auf Benutzung hatten, gaben rechtzeitig Bescheid; dann wurde Wasser heiß gemacht und ein Badetuch hingelegt.
Dies Badezimmer hatte man ganz willkürlich von einer Ecke des Zimmers abgetrennt, und der Colonel fand, es war eher ein ablehnendes als ein einladendes Badezimmer. Als er sich wusch und gezwungenermaßen in den Spiegel blickte, um irgendwelche Spuren von Lippenstift zu entdecken, betrachtete er sein Gesicht. Es sieht aus, als ob es von irgendeinem mittelmäßigen Handwerker aus Holz geschnitzt ist, dachte er.
Er besah sich die verschiedenen Narben und Buckel, die aus der Zeit stammten, als es noch keine plastische Chirurgie gab, und die dünnen, nur von Eingeweihten bemerkbaren Linien, die von ausgezeichneten plastischen Operationen nach den verschiedenen Kopfverletzungen herrührten.
Na, das hab ich eben als gueule oder fagade zu bieten, dachte er. Ein verdammt jämmerliches Angebot! Das einzig Gute daran ist, daß es gebräunt ist, das nimmt etwas von der Scheußlichkeit weg. Aber, mein Gott, was für ein häßlicher Kerl.
Er bemerkte weder das fahle Stahlgrau seiner Augen noch die feinen, lang auslaufenden Lachfaltchen an den Augenwinkeln, noch daß seine gebrochene Nase wie die eines Gladiators auf den alten Statuen aussah. Noch bemerkte er seinen im Grunde gütigen Mund, der allerdings richtig grausam sein konnte.
«Zum Teufel mit dir», sagte er zu dem Spiegel. «Du zusammengehauener Jammerlappen. Man sollte sich wohl den Damen wieder zugesellen.»
Er ging aus dem Badezimmer ins Zimmer zurück, und er war so jung wie bei seinem ersten Angriff. Alles Wertlose war im Badezimmer zurückgeblieben. Wie immer, dachte er. Da gehört’s auch hin.
Ou sont les neiges d’antan? Ou sont les neiges d’autrefois? Dans le pissoir toute la chose comme ça.
Das Mädchen, das mit Vornamen Renata hieß, hatte die Türen des großen Schranks weit geöffnet. Sie waren innen alle mit Spiegelglas verkleidet, und sie kämmte ihr Haar.
Sie kämmte es nicht aus Eitelkeit, noch um bei dem Colonel zu bewirken, was es, wie sie wußte, bewirken konnte und würde. Sie kämmte es mühevoll und respektlos, und es widerstand dem Kamm, weil es so dicht und lebensstrotzend war wie das Haar von Bäuerinnen oder das Haar der Schönheiten des Hochadels.
«Der Wind hat es sehr zerzaust», sagte sie. «Liebst du mich noch?»
«Ja», sagte der Colonel. «Darf ich dir helfen?»
«Nein. Ich hab’s mein ganzes Leben lang selbst gemacht.»
«Könntest du dich nicht seitwärts stellen?»
«Nein. Alle Konturen sind für unsere fünf Söhne und für deinen Kopf zum Ausruhen.»
«Ich hab nur an das Gesicht gedacht», sagte der Colonel. «Aber schönen Dank dafür, daß du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Meine Beobachtungsgabe hat mal wieder versagt.»
«Ich bin zu üppig.»
«Nein», sagte der Colonel. «In Amerika machen sie so was aus Draht und Gummischwamm, aus dem Zeugs, das man für die Sitze in Tanks benutzt. Man weiß dort nie, ob wirklich was dahintersteckt oder nicht, außer man ist so ein ungezogener Junge wie ich.»
«Hier ist es nicht so», sagte sie, und sie warf ihr jetzt gescheiteltes Haar mit dem Kamm nach vorn, so daß es unter ihrer Wangenlinie und schräg über ihre Schultern hing.
«Magst du’s, wenn’s ordentlich ist?»
«Es ist nicht zu ordentlich, aber es ist verdammt schön.»
«Ich könnte es aufstecken und alles mögliche, falls du Wert auf ordentlich legst. Aber ich kann mit Haarnadeln nur schwer fertig werden, und es kommt mir so dumm vor.» Ihre Stimme war so wunderbar – sie erinnerte ihn immer an Pablo Casals beim Cellospielen –, daß er das Gefühl wie von einer Wunde hatte, die man nicht zu ertragen können glaubt. Aber man kann alles ertragen, dachte er.
«Ich liebe dich sehr, genauso wie du bist», sagte der Colonel. «Und du bist die allerschönste Frau, die ich je gekannt und gesehen habe, selbst auf Bildern von guten Malern.»
«Warum wohl das Porträt noch nicht gekommen ist?»
«Es wird wunderbar sein, das Porträt zu haben», sagte der Colonel, und jetzt war er wieder ein General, ohne sich dessen bewußt zu sein. «Aber es ist, als ob man einem toten Pferd das Fell abzieht.»
«Bitte, sag nicht so häßliche Sachen», sagte das Mädchen. «Mir ist heute abend gar nicht nach so was.»
«Ich
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