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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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schadet?»
    «Mir schadet?» sagte der Colonel. «Wann, zum Teufel noch mal, hat mir je etwas geschadet?»

14
    «Bitte sei nicht ärgerlich», sagte sie und zog die Decke über sie beide.
    «Bitte trink mit mir ein Glas hiervon. Du weißt, daß du krank bist.» «Ganz richtig», sagte der Colonel. «Vergessen wir’s.» «In Ordnung», sagte sie. «Das Wort, oder vielmehr die zwei Worte, habe ich von dir gelernt. Es ist vergessen.»
    «Warum magst du die Hand?» fragte der Colonel und tat sie dahin, wo er sie hintun sollte.
    «Bitte spiel nicht den Dummen, und bitte, wir wollen an gar nichts und an gar nichts und an gar nichts denken.»
    «Ich bin dumm», sagte der Colonel. «Aber ich werde weder an irgendwas, und an irgendwas, noch an nichts, noch an seinen Bruder Morgen denken.»
    «Bitte sei gut und lieb.»
    «Das will ich, und ich werde dir jetzt ein militärisches Geheimnis verraten. ‹Spitzengeheimnis› ist gleichbedeutend mit dem englischen ‹Höchstgeheimnis›. Ich liebe dich.»
    «Das ist nett», sagte sie, «und du hast es so nett gesagt.»
    «Ich bin nett», sagte der Colonel und musterte die Brücke, die in Sicht kam, und sah, daß genügend Spielraum war. «Das ist das erste, was den Leuten an mir auffällt.»
    «Ich benutze immer die verkehrten Worte», sagte das Mädchen. «Bitte, lieb mich einfach. Ich wünschte, ich könnte dich lieben.»
    «Das tust du.»
    «Ja, das tu ich», sagte sie. «Von ganzem Herzen.»
    Sie fuhren jetzt mit dem Wind, und sie waren beide müde.
    «Denkst du…»
    «Ich denke nicht», sagte das Mädchen.
    «Versuch mal und denke.»
    «Ich will’s.»
    «Trink ein Glas hiervon.»
    «Warum nicht? Er ist sehr gut.»
    Das war er. Im Kübel war noch Eis, und der Wein war kalt und klar.
    «Kann ich im Gritti bleiben?»
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Es wäre nicht richtig. Ihretwegen. Deinetwegen. Zum Teufel, was mich anlangt.»
    «Dann sollte ich wohl jetzt nach Hause gehen.»
    «Ja», sagte der Colonel. «Das ist die logische Schlußfolgerung.»
    «Das ist eine furchtbare Art, etwas Trauriges zu sagen. Können wir nicht wenigstens manchmal so tun als ob?»
    «Nein. Ich werde dich nach Hause bringen, und du wirst tief und fest schlafen, und morgen treffen wir uns, wo und wann du sagst.»
    «Darf ich im Gritti anrufen?»
    «Natürlich. Ich bin immer wach. Wirst du mich anrufen, sobald du aufwachst?»
    «Ja. Aber warum bist du immer so früh auf?»
    «Das ist eine Berufsgewohnheit.»
    «Ach, ich wünschte, du wärst nicht in dem Beruf, und ich wünschte, du würdest nicht sterben.»
    «Ich auch», sagte der Colonel. «Aber ich geb den Beruf ja auf.»
    «Ja», sagte sie schläfrig und behaglich. «Und dann fahren wir nach Rom und besorgen die Anzüge.»
    «Und leben glücklich bis an unser seliges Ende.»
    «Bitte nicht», sagte sie. «Bitte, bitte nicht. Du weißt doch, daß ich den Entschluß gefaßt habe, nicht zu weinen.»
    «Und jetzt weinst du», sagte der Colonel. «Zum Teufel noch mal, was hast du bei dem Entschluß schon zu verlieren?»
    «Bitte bring mich nach Hause.»
    «Das hatte ich von Anfang an vor», sagte der Colonel.
    «Bitte sei erst freundlich.»
    «Das werde ich», sagte der Colonel.
    Nachdem sie oder vielmehr der Colonel den Gondoliere bezahlt hatte, der von nichts wußte, jedoch alles wußte – kräftig, tüchtig, respektvoll und vertrauenswürdig –, kamen sie auf die Piazzetta und gingen dann über den großen, kahlen, windgepeitschten Platz, der fest und vertraut unter ihren Füßen lag. Sie klammerten sich im Gehen aneinander in ihrem Gram und ihrem Glück.
    «Hier hat der Deutsche auf die Tauben geschossen», sagte das Mädchen.
    «Wahrscheinlich haben wir ihn getötet», sagte der Colonel, «oder seinen Bruder. Vielleicht haben wir ihn aufgehängt. Ich weiß es nicht, weil ich nicht beim C. I. D. bin.»
    «Liebst du mich noch immer, auch auf diesen vom Wasser ramponierten alten, kalten Steinen?»
    «Ja. Ich würde gern eine Matratze hier ausbreiten und es beweisen.»
    «Das wäre ja barbarischer als der Taubentöter.»
    «Ich bin ein Barbar», sagte der Colonel.
    «Nicht immer.»
    «Danke für das ‹nicht immer›.»
    «Hier biegen wir ein.»
    «Ich glaube, das weiß ich. Wann werden sie endlich den verfluchten Kinopalast abreißen und eine ordentliche Kathedrale errichten? Das möchte T5 Jackson gerne.»
    «Wenn jemand noch einmal Sankt Markus unter einer Ladung Schweinefleisch aus Alexandria herbringen wird.»
    «Das war einer aus

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