Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
den Brief außer ihr jemand gelesen.
Sie wirkt aber auch nicht, als wolle sie ihn jetzt küssen.
Eher so, als sei er ein kleiner Kater, auf den es nun besänftigend einzureden gilt, da er leider zur Kastration gebracht werden muss.
»Justus«, sagt sie, leise und behutsam. Sie tippt auf den Brief. »Das hier ist … wunderschön.« Justus’ Herz plustert sich noch mal auf, doch über den Rollcontainern schwebt schon jetzt das große Aber.
»Aber … du kannst mich doch nicht so …«, sie sucht nach Worten, »in den Himmel heben. Das liest sich ja, als hättest du länger daran gearbeitet als Goethe am Werther.« Sie schluckt. »So perfekt bin ich nicht.«
»Doch …«, haucht Justus.
»Nein«, sagt sie und berührt tröstend seine Wange. »Dem könnte ich niemals gerecht werden.«
Justus schaut auf die Wodkaflasche in seiner Hand. Wahrscheinlich liegt darin seine Zukunft: Wodkatrinken zwischen Altpapiertonnen.
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«, fragt er.
»Es leicht nehmen«, antwortet Julia. »Es tiefer hängen. Mich erst mal irgendwohin einladen, auf eine Pizza oder so. Mal gucken, was passiert.«
Justus lässt die Schultern sinken.
»Sorry«, sagt Julia, »aber das hier gibt mir das Gefühl, du hast jetzt schon die Bauweise unseres Carports und die Marke des Kinderwagens ausgesucht.«
Justus seufzt. Er dachte nicht, dass man die Liebe zu ernst nehmen kann.
Im Erdgeschoss öffnet sich ein Fenster und ein großer kantiger Kopf streckt sich in die Nacht, um Kräuterschnaps auszukotzen.
»Applaus für die Trinkmaschine!«, grölt David hinter Johannes.
Im Fenster daneben knutscht Manuel mit Julias Freundin.
•Die Klassenfahrt
Alkoholpegel: ★ ★ ★ ★
Drama: ★ ★ ★ ★
Erotik: ★ ★
Spaß: ★ ★
Was man erwartet
Liebe. Nachdem man dem Mädchen seiner Träume in einem Brief, den der sportliche Klassensprecher niemals so empfindsam verfassen könnte, seine Gefühle offenbart hat, startet es mit einem in eine große, gemeinsame Zukunft.
Was tatsächlich passiert
Das Mädchen ist von dem Pathos der Worte und seinen eigenen Glorifizierung so heillos überfordert, dass sie die Flucht ergreift und sich im Zweifel sogar eher auf den zwanglos selbstsicheren Klassensprecher einlassen würde.
Was man tun sollte
So tun, als fände man die Angebetete allenfalls süß, gleite aber ansonsten mit gelassener Gleichgültigkeit durch die Welt. Plaudern. Beine nicht immer nur an einer Stelle streicheln. Den Dingen ihren Lauf lassen.
Typischer Song
»Rehab« von Amy Winehouse
Typisches Getränk
Kräuterschnaps
Die Großraumdisco
Die Großraumdisco ist der Ort der großen, gedankenlosen Geilheit. Ein Abend des Tunnels und der verschwitzten Körper. Ein Tank aus Beat, Licht und Lack, der für das Fortbestehen unserer Spezies sorgt. Ungünstig ist nur, dass mancher zu schnell abdriftet …
Der Gorilla am Eingang hat schon wieder was gegen Stefans Schuhe. Er will »so alte Pennertreter hier nicht mehr sehen«, sagt er, dabei wissen alle, was er gleich tun wird, der alte Quadratschädel mit dem Agentenstöpsel im Ohr. Er wird Stefan hineinwinken und sagen: »Also gut, das eine Mal noch. Das letzte Mal!« Und das macht er dann auch. Stefan liegt was auf der Zunge, aber Cora schiebt ihn durch den Eingang.
Lars fragt sich, was sie immer noch an Stefan findet. Der Mann trägt ja in der Tat ausgelatschte »Pennertreter«. Stinkende Turnschuhe, die mittlerweile aussehen wie um die Füße geschlungene Mechanikerlappen. Er pflegt sich kaum und gibt sich keine Mühe mit seinem Äußeren. Seinen ständigen Fünftagebart verklärt er zur sexy Männlichkeit. Lars hingegen hat sich für heute Abend frisch rasiert und seine schwarzen Sneakers angezogen, die so teuer waren, dass man ihnen gar nicht mehr ansieht, dass es überhaupt Sneakers sind. Zum Tanzen hat er ein T-Shirt gewählt, das seine wachsenden Muskeln betont. Er trainiert seit Monaten. Er behandelt seinen Körper anständig. Er passt besser zu Cora. Er will sie Stefan abspenstig machen, das hat er sich zugestanden und sein schlechtes Gewissen deswegen schwindet Tag für Tag mehr. Als sie Geburtstag hatte, schenkte Stefan ihr eine Playstation Vita und das Gerät somit eigentlich sich selbst. Er sagte, die kleine Handheldkonsole sei »für die vielen Stunden«, die Cora beim Pendeln im Zug verbringe. Ja, sicher. Er legte auch wahnsinnig frauentaugliche Spiele dazu: Call Of Duty: Black Ops Declassified und Dead Or Alive 5. Lars indessen
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