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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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fragte Kuttler.
    »Was willst du?« Schon war die Freundlichkeit weggewischt.
    »Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber da muss es bei uns vor gut sieben Jahren, 1998, eine Soko Schutzgelderpressung gegeben haben...«
    »Es ging um die Kosovo-Gang«, unterbrach ihn Tamar. »Sie hatten sich mit den Italienern anlegen wollen. Sehr lustig. Warum, zum Henker, willst du das mitten in der Nacht wissen?«
    »Und wer war Chef der Soko? Der Kriminalrat?«
    »Nein. Berndorf. Warum... ?«
    »Ja, so. Danke«, antwortete Kuttler rasch. »Ich erklär es dir morgen. Mach es gut.« Er legte auf und trat an das Fenster. In der Dachwohnung gegenüber brannte Licht, aber die Vorhänge waren zugezogen, und so starrte er in die Nacht hinaus, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sollte er Berndorf anrufen? Wozu? Tilman hatte den Mann von der Polizei nicht mehr erreicht. Aus. Berndorf würde ihm nichts sagen können. Ob er einmal im Zug nach Tübingen mit einem jungen Mann gesprochen habe? Der junge Mann habe ihn später noch einmal bei Tonio gesehen und – vielleicht – sprechen wollen? Aber dann sei er – dieser junge Mann – gestorben, bei einem Unfall ums Leben gekommen, vor sieben Jahren... Ja, und was erwarten Sie jetzt von mir? Kuttler, sagen Sie mal – haben Sie was getrunken?
    Kuttler schüttelte den Kopf. So ging das nicht.
    Wie lange stand er so? Er wandte sich vom Fenster ab, zog seine Jacke an und steckte die Autoschlüssel ein. Zu seiner Wohnung gehörte ein Stellplatz vor dem Haus, auf dem er seinen alten Opel geparkt hatte. Der Diesel sprang rumpelnd an,Kuttler kurvte zwischen Blumenkästen und anderen parkenden Autos hindurch, bis er die Wohnstraße hinter sich ließ und auf den Inneren Ring kam. An den leeren Parkplätzen verlassener Einkaufsmärkte vorbei erreichte er das Donautal, in einem ummauerten Gebäude mit einem neugotischen Türmchen brannten noch vereinzelte Lichter, noch nicht alles weggeschlossen im Knast? Flutlichtmasten beleuchteten eine späte Trainingseinheit des SSV, nur nicht verlieren in Bonlanden oder Krauchenwies! Leer warteten die Musterhäuser einer Fertigbau- Ausstellung auf die glücklichen Familien, von denen sie doch im Prospekt so fröhlich bevölkert waren.
    Bei der Abzweigung nach Böfingen fuhr Kuttler geradeaus weiter Richtung Thalfingen, jetzt sah er rechts die Donau, ein breiter schwarzer Kanal, von Bäumen bestanden, den Signallichtern und Turbinen des Kraftwerks Böfinger Halde zustrebend, nein: nicht zustrebend, zugeführt.
    Nach ungefähr anderthalb Kilometern hielt er und stellte den Wagen halb auf der Böschung ab. Er schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Laub, schon feucht und modrig, blieb ihm an den Schuhen hängen, als er die Böschung hinabkletterte und zwischen Bäumen hindurch auf den Fuß- und Radweg am Ufer gelangte. Früher wohl war der Weg einmal asphaltiert gewesen, aber irgendwann waren die Schlaglöcher nur noch mit Kies aufgefüllt worden. Kuttler überlegte, ob er mit dem Rad den Uferweg genommen hätte oder die Fahrstraße. Aber er fuhr nicht gerne Rad. Es kommt darauf an, dachte er, wie eilig es jemand hat... Ach, Unsinn, eilig haben sie es immer, und der Uferweg ist holprig, das ist kein angenehmes Fahren, vor allem nicht nachts. Er ging bis an das Ufer vor, der Himmel über ihm war von Wolken verhangen, rechts war der diffuse Lichtnebel über den Städten Ulm- und Neu- Ulm zu sehen, unter ihm glatt und schwarz die nächtliche Donau, ohne erkennbare Strömung, den sternenlosen Nachthimmel spiegelnd. Hier, irgendwo, war Tilman Gossler gestorben.
    Auf der Straße hielt ein Auto. Kuttler runzelte die Stirn. Blaulicht zuckte durch Baumstämme und über Ufergehölz.
    »Hallo«, rief eine Stimme. »Alles in Ordnung bei Ihnen?«
    Kuttler drehte sich um, ein Lichtstrahl fiel auf ihn und saugte sich an ihm fest, hinter dem Lichtstrahl stolperte ein Mann durch die Bäume, ein Polizist, hat man denn nie Ruhe, wollte Kuttler denken und ließ es dann bleiben.
    »Gibt es ein Problem?«
    Orrie, hau ab!, dachte Kuttler, denn keiner, der Polizeihauptmeister Leissle kannte, nannte ihn anders. »Nein, Kollege«, sagte er dann. »Ich hab mir nur den Fluss anschauen wollen.«
    »Und – gefällt er dir?«, fragte Orrie. »Übrigens kannst du deinen Blecheimer so nicht stehen lassen, das ist eine gefährliche Ecke hier, unsere Saufköpfe fahren viel zu schnell...«
    »Ich weiß«, sagte Kuttler. »Vor sieben Jahren haben sie hier einen Radfahrer totgefahren, in der

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